Perdido Street Station 01 - Die Falter
die wahrscheinlich diejenige ist, die weiß, wovon man glaubt, dass er es wüsste, heißt Barbile. Überraschung! Von einer Barbile hat auch unser Schreiberling die Monsterraupe geklaut!«
David machte eine Pause, um dem Agenten Zeit zu geben, die volle Bedeutung seiner Worte zu erfassen, dann redete er weiter.
»Eins kommt zum anderen, und ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat. Ich will’s auch nicht wissen. Wir sind euch ins Gehege gekommen. Vielleicht durch Zufall, aber ich persönlich kann das nicht recht glauben. Es macht mir nichts aus, Ungeheuer zu jagen, aber ich lege mich nicht mit der Miliz an und der Geheimpolizei und der Regierung. Ihr seid jetzt an der Reihe. Zieht ihr den Karren aus dem Dreck.«
Der Mann auf dem Bett verschränkte die Hände. David fiel noch etwas ein.
»Verdammt, ich habe mir das Hirn zermartert, um eine Erklärung für all das zu finden – also, ich weiß nicht, ob das richtig ist, aber hängt das Ganze irgendwie mit Krisisenergie zusammen?«
Der Mann bewegte verneinend den Kopf langsam von einer Seite zur anderen, die ausdruckslose Miene kaschierte Verständnislosigkeit. »Genauer bitte«, sagte er.
»Nun, einmal, kurz vor diesem verdammten Betriebsunfall, machte Isaac eine Bemerkung, dass er eine funktionierende Krisismaschine bauen konnte – wissen Sie, was das bedeutet?«
Das Gesicht des Mannes wurde hart, er fixierte David mit einem durchbohrenden Blick.
»Ich bin der Kontakt für die Informanten, die aus Brock Marsh berichten«, zischte er. »Ich weiß, was es bedeuten würde … Es kann nicht – ist es … Moment mal, das ergäbe keinen Sinn – ist es – ist es wahr …« Zum ersten Mal wirkte der Mann ernsthaft betroffen.
»Ich weiß nicht«, antwortete David niedergeschlagen. »Aber es war keine Angeberei, er erwähnte es nur nebenbei in einem Gespräch. Ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß, dass er daran gearbeitet hat, in Abständen über Jahre hinweg …«
Der Mann auf dem Bett schaute längere Zeit stumm und nachdenklich an die gegenüberliegende Wand. Verschiedene Emotionen huschten über sein Gesicht. Endlich richtete er den Blick sinnend auf David. »Woher wissen Sie das alles?«, fragte er.
»Isaac vertraut mir.« (Wieder begehrte sein besseres Ich auf, und wieder ignorierte er es.) »Erst war diese Frau …«
»Name?«
David zögerte.
»Derkhan Blueday«, murmelte er schließlich. »Blueday also, anfangs will sie vor mir nicht reden, aber Isaac – er bürgt für mich. Er kennt meine Prinzipien, wir haben zusammen an Demonstrationen teilgenommen …« (Wieder dieser Stich: Du hast keine Prinzipien, du beschissener Verräter!) »Es ist nur, dass in Zeiten wie diesen …« Er verstummte bedrückt. Der andere Mann winkte ab. Er hatte kein Interesse an Davids Schuldgefühlen oder seinen Rechtfertigungsversuchen. »Isaac hat ihr versichert, dass sie mir trauen kann, und sie hat uns alles erzählt.«
Wieder ein langes Schweigen. Der Mann auf dem Bett wartete. David zuckte die Schultern. »Mehr weiß ich nicht.«
Der Mann nickte und stand auf.
»Wunderbar«, sagte er. »Das war ein sehr – interessantes Gespräch. Wahrscheinlich werden wir uns mit Ihrem Freund Isaac unterhalten müssen. Keine Sorge«, er lächelte beruhigend, »wir haben nicht vor, uns seiner zu entledigen, Sie können mir glauben. Es sieht nur so aus, als könnten wir seine Hilfe gebrauchen. Sie haben ganz richtig gehandelt. Wir müssen eine Quadratur des Kreises versuchen, Verbindungen aufnehmen, und Sie befinden sich nicht in der Position, das zu tun. Wir hingegen möglicherweise schon. Mit Isaacs Hilfe.«
»Wir bleiben in Verbindung«, fuhr der Mann nach einer kurzen Pause fort. »Sie werden schriftliche Instruktionen erhalten, die Sie genau befolgen sollten. Ich muss das nicht eigens betonen, oder? Wir werden dafür sorgen, dass dar Grimnebulin nicht erfährt, woher wir unsere Informationen haben. Unter Umständen vergehen einige Tage, bevor wir tätig werden – kein Grund zur Panik. Das ist unsere Sache. Bleiben Sie ruhig und ermuntern Sie dar Grimnebulin, weiterzumachen mit dem, was er tut. Alles klar?«
David nickte, ohne aufzublicken. Er wartete. Der Mann musterte ihn scharf.
»Das ist alles«, sagte er. »Sie können gehen.«
Mit schuldbewusster, dankbarer Hast stand David auf und wandte sich zur Tür. Ihm war, als bewegte er sich durch zähen Morast; Scham schlug über ihm zusammen wie ein gallertiges Meer. Er wollte nichts wie weg von hier und vergessen,
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