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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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für alle möglichen Jobs einspannen lasse. Aber es gibt Grenzen. Ich werde mich hüten, der Staatsgewalt ans Bein zu pinkeln, ohne für Rückendeckung zu sorgen. Und meine Rückendeckung ist Mr. X.«
    Isaac fluchte innerlich, doch er wusste, Lemuel hatte Recht.
    Er war dagegen gewesen, Lemuel in dieses Abenteuer mit hineinzuziehen. Aber die Ereignisse hatten sich verschworen und ihm keine andere Wahl gelassen. David zeigte keine große Bereitschaft, ihm bei der Suche nach Magesta Barbile zu helfen. Er wirkte wie gelähmt, ein Nervenbündel. Isaac verlor die Geduld mit ihm. Er brauchte Unterstützung, und er wollte, dass David sich aufraffte und Initiative zeigte. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich mit ihm auseinander zu setzen.
    Derkhan hatte ahnungslos den Namen beigesteuert, der allem Anschein nach der Schlüssel zu den Phantomen am Himmel war, sowie zu dem rätselhaften Verhör von Benjamin Flex durch die Miliz. Isaac schickte den Namen und was sie an Informationen hatten - Mafaton, Wissenschaftlerin, F&E – an Lemuel Girrvogel. Er legte Geld bei, mehrere Guineen (wobei ihm zu Bewusstsein kam, dass Yaghareks Gold langsam, aber stetig dahinschwand) und ersuchte um Details und Hilfe.
    Das war der Grund, weshalb er seinen Ärger über die Verspätung von Mr. X beherrschte. Trotz seiner zur Schau getragenen Ungeduld, diese Art von Schutz war genau das, weswegen er sich an Lemuel gewandt hatte.
    Lemuel selbst musste nicht lange überredet werden, Isaac und Derkhan zu der Adresse in Mafaton zu begleiten. Er gab sich den Anschein einer nonchalanten Gleichgültigkeit gegenüber dem Warum und Wozu der Aktion, als wäre lediglich die Bezahlung seiner Dienste von Interesse, aber Isaac glaubte ihm nicht. Er hätte wetten mögen, dass Lemuels Neugier geweckt war.
    Yagharek hingegen weigerte sich eisern mitzukommen. Isaac hatte versucht, ihn zu überreden, wortreich, eindringlich, aber Yagharek würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Was verdammich willst du dann hier?, fühlte Isaac sich versucht, ihm an den Kopf zu werfen, doch er biss die Zähne zusammen und ließ den Garuda in Ruhe. Vielleicht brauchte es noch etwas Zeit, bis Yagharek sich als Teil einer Gemeinschaft fühlte. Man musste abwarten.
    Lin war weggegangen, kurz bevor Derkhan auftauchte. Es war ihr schwer gefallen, Isaac in seinen Schwierigkeiten allein zu lassen, doch gleichzeitig hatte sie einen etwas geistesabwesend Eindruck gemacht. Sie war nur eine Nacht geblieben, und als sie ging, hatte sie Isaac versprochen, sobald wie möglich wiederzukommen. Dann aber, am nächsten Morgen, hatte Isaac einen Brief in ihrer verschnörkelten Handschrift empfangen, per Kurier und mit teurer Zustellungsgarantie.
     
    Liebes Herz,
    ich fürchte, du wirst zornig sein und dich im Stich gelassen fühlen, aber bitte hab’ Verständnis. Zu Hause erwartete mich ein zweiter Brief meines Arbeitgebers, meines Mäzens, wenn man so will. Unmittelbar nach seiner Mitteilung, bis auf weiteres würde ich nicht gebraucht, kam ein Schreiben mit der Aufforderung, mich wieder bei ihm einzufinden.
    Ich weiß, der Zeitpunkt könnte nicht ungünstiger sein. Ich kann dich nur bitten, mir zu glauben, dass ich mich weigern würde, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Ich kann nicht, Isaac. Ich werde mich bemühen, meine Arbeit für ihn so rasch wie möglich zu Ende zu bringen – in einer Woche oder zwei, hoffe ich – und dann zu dir zurückzukehren.
    Warte auf mich.
    Mit all meiner Liebe,
    Lin.
     
    Deshalb standen an der Ecke von Addley Pass, getarnt vom Chiaroscuro des Vollmonds zwischen Wolken und den flimmernden Schatten der Bäume in Billy Green, nur Isaac, Derkhan und Lemuel.
    Alle drei fröstelten unbehaglich, spähten hinauf zu vorüberhuschenden Schatten, zuckten bei eingebildeten Geräuschen. Aus den Häusern tönten die Laute der mit ihren Nachtmahren ringenden Schläfer. Bei jedem grässlichen Stöhnen oder Aufschrei schauten die drei sich gegenseitig an.
    »Gottschiet«, flüsterte Lemuel gereizt und beklommen. »Was geht hier eigentlich vor?«
    »Etwas liegt in der Luft …« Isaacs Worte verklangen in einem Raunen, als er blind in den Himmel starrte.
    Als Krönung des Ganzen hatten Derkhan und Lemuel auf den ersten Blick festgestellt, dass sie sich verabscheuten. Sie taten ihr Bestes, sich gegenseitig zu ignorieren.
    »Wie bist du an die Adresse gekommen?«, fragte Isaac. Lemuel ruckte unwillig mit den Schultern.
    »Verbindungen, alter Freund, Beziehungen und Bestechung.

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