Perdido Street Station 01 - Die Falter
die Miliz eine Razzia in den Etablissements, die meiste Zeit jedoch, solange keine Klagen wegen Zechprellerei kamen und Gewalt innerhalb der Räume blieb, in denen dafür bezahlt wurde, übte die Ordnungsmacht Zurückhaltung.
In der Nachtluft wehte etwas Beunruhigendes, ein fast greifbares Unbehagen. Etwas Bedrohlicheres als jede gewöhnliche Angst.
In einigen Häusern schien Licht durch weiche Musselinvorhänge in die großen Parterrefenster. Frauen in kurzen Hemdchen und durchsichtigen Negligees massierten sich lasziv oder warfen den Passanten unter langen Wimpern verruchte Blicke zu. Hier lagen auch die xenianischen Bordelle, wo Halbwüchsige, sturzbetrunken, sich gegenseitig zu zweifelhaften Initiationsriten anstachelten: Khepri zu vögeln oder Vodyanoifrauen oder noch exotischere Spezies. David wurde an Isaac erinnert. Er bemühte sich, an etwas anderes zu denken.
Er blieb nirgends stehen. Das Angebot an weiblichem Fleisch drang kaum in sein Bewusstsein. Er eilte weiter.
Endlich bog er in eine Gasse, wo die Häuser kleiner und bescheidener waren und die Auslagen ganz unverblümt auf das Angebot an Dienstleistungen hinwiesen. Peitschen. Handschellen. Ein sieben- oder achtjähriges Mädchen in einer Wiege, plärrend, Rotz an der Nase.
David ging immer weiter. Er hatte nur noch wenig Gesellschaft, aber ein paar Leute waren immer unterwegs. Die Nachtluft war erfüllt von schwachen Geräuschen. Stimmengewirr in Räumen. Musik, gut gespielt. Gelächter. Schmerzensschreie und das Bellen oder Heulen von Tieren.
Nahe dem Zentrum des Bezirks gab es eine heruntergekommene Sackgasse, ein Ort der Stille in dem Labyrinth. David überlief ein Frösteln, als er in sie einbog.
In den Hauseingängen standen Männer, breitschultrig, finster, in billigen Anzügen, die die erbärmlichen Kunden überprüften.
David näherte sich einer dieser Türen. Der vierschrötige Wächter legte ihm die flache Hand gegen die Brust.
»Mrs. Tollmeck hat mich geschickt«, murmelte David. Der Mann ließ ihn passieren.
Kackfarbenes Licht von schmutzigbraun beschirmten Lampen schwappte durch die Diele. Hinter einem Schreibtisch saß eine streng blickende Matrone in einem verblassten Blumenkleid, das zu den Lampenschirmen passte. Sie schaute über halbmondförmige Brillengläser hinweg zu David auf.
»Nehmen Sie zum ersten Mal unsere Dienste in Anspruch?«, fragte sie. »Haben Sie eine Verabredung?«
»Um einundzwanzig Uhr in Zimmer 17. Der Name ist Orrel.«
Die Frau hinter dem Tisch hob leicht die Augenbrauen und nickte. Sie schaute in ein Buch, das aufgeschlagen vor ihr lag.
»Aha. Nun, Sie sind …«, ihr Blick ging zur Wanduhr, »Sie sind zehn Minuten zu früh, aber gehen Sie ruhig schon nach oben. Sie kennen den Weg? Sally erwartet Sie.« Die Frau legte den Kopf schräg und – grässlich, widerwärtig – zwinkerte ihm verständnisinnig zu und lächelte.
David wurde übel. Er wandte sich hastig ab und stieg die Treppe hinauf.
Sein Herz schlug wie ein Hammer, während er Stufe um Stufe erklomm und endlich in dem langen Flur der ersten Etage stand. Er erinnerte sich an seinen ersten Besuch in diesem Haus. Zimmer 17 lag am Ende des Flurs.
David setzte sich in Bewegung.
Er hasste dieses Stockwerk. Er hasste die Blasen werfende Tapete, die befremdlichen Gerüche, die aus den Zimmern drangen, die bestürzenden Geräusche. Die meisten der Räume standen offen, so war es Brauch. Hinter geschlossenen Türen wurden Freier bedient.
Die Tür von Nummer 17 war natürlich zu allen Zeiten geschlossen. Das war die Ausnahme von der Hausregel.
David ging langsam über den abgetretenen Läufer, vorbei an der ersten Tür. Gnädigerweise war sie zu, aber das Holz konnte die Laute nicht zurückhalten: seltsame, gedämpfte, verzweifelte Schreie, das Knarren von fester gezurrtem Leder, eine zischelnde, hasserfüllte Stimme. David wandte den Kopf ab und sein Blick fiel geradewegs in das gegenüberliegende Zimmer. Auf die nackte Gestalt auf dem Bett. Sie schaute zu ihm hin, ein Mädchen, nicht älter als fünfzehn, ihm zugewandt stand sie da. Auf allen vieren: die Arme und Beine behaart, mit Pfoten - Hundebeine.
Seine Augen blieben gebannt, in lüsternem Entsetzen an ihr haften, während seine Füße ihn weitertrugen. Sie sprang unbeholfen nach Hundeart zu Boden, drehte sich schwerfällig um, ein ungeübter Vierbeiner, und schaute hoffnungsvoll über die Schulter, während sie ihm Hintern und Pudenda entgegenreckte.
Davids Lippen teilten sich schlaff,
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