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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wurde die Gefahr einer Infiltration durch Spitzel der Miliz gering gehalten. Benjamin war der Herausgeber, die einzige Person in dem ständig wechselnden Mitarbeiterstab, die alle kannten und die ihrerseits alle kannte.
    Derkhan entdeckte einen Haufen broschierter Hefte aus billigem Papier neben ihrem Stuhl auf dem Boden. Die übrigen aufrührerischen Schriften auf dem Untergrundmarkt, halb Mitstreiter, halb Konkurrenz.
    »Was Brauchbares dabei?«, fragte sie und zeigte auf den Stapel. Benjamin zuckte die Schultern.
    »Renitentissimus bringt diese Woche nur Mist. Anständiger Leitartikel im Gradatim, über Rudgutters Kungelei mit den Reedern. Ich werde jemanden beauftragen, der Sache nachzugehen. Davon abgesehen nur eine magere Ausbeute.«
    »Und worum soll ich mich kümmern?«
    »Nun …« Benjamin schob Blätter hin und her, überflog seine Notizen. »Wenn du an dem Dockarbeiterstreik dranbleiben könntest … Bild von der allgemeinen Stimmungslage, ein paar Zitate, du weißt schon. Und wie wär’s mit fünfhundert Worten über die Entstehungsgeschichte der Suffragium-Lotterie?«
    Derkhan nickte. »Was liegt sonst noch an?«
    Benjamin spitzte die Lippen.
    »Es wird gemunkelt, dass Rudgutter irgendeine Krankheit haben soll, dubiose Heilverfahren – da würde ich gern nachhaken, obwohl man merkt, dass die Geschichte Jabber weiß wie oft ausgeschmückt und verdreht worden ist. Trotzdem, halt die Ohren gespitzt. Noch was anderes – sehr verschwommen zu diesem Zeitpunkt, aber interessant. Ich habe mit Leuten gesprochen, die jemanden kennen wollen, der über zarte Bande zwischen dem Parlament und dem organisierten Verbrechen auspacken will.«
    Derkhan nickte anerkennend. »Klingt äußerst vielversprechend. Um welche Branche handelt es sich denn? Drogen? Prostitution?«
    »Scheiße, du kannst wetten, dass Rudgutter seine Finger in jedem verdammten Kuchen hat, in jedem. Die übrigen Konsorten ebenso. Bring den Stoff unter die Leute, streich den Profit ein und lass deine Kunden anschließend von der Miliz einkassieren, um ihnen zu einem neuen Leben zu verhelfen: als Remade, Grubensklaven in den Arrowhead-Minen, Frischfleisch für die Gefängnisse oder was sich sonst noch an Perspektiven bietet. Ich weiß nicht, was speziell dieser Singvogel in petto hat, jedenfalls sind die Vermittler verdammt nervös und bereit, jederzeit abzutauchen. Aber du kennst mich, Dee. Immer hübsch langsam und vorsichtig. Ich lasse mir das nicht durch die Lappen gehen.«
    »Halt mich auf dem Laufenden, ja?«
    Benjamin nickte.
    Derkhan verstaute das Bündel Zeitungen in ihrer Tasche unter allerlei Krimskrams. Sie stand auf.
    »Gut. Ich habe meine Anweisungen. Diese drei Schekel beinhalten übrigens den Erlös von vierzehn verkauften Exemplaren des LF.«
    »Ausgezeichnet.« Benjamin griff nach einem bestimmten von den zahlreichen Notizbüchern auf seinem Schreibtisch, um die Information zu vermerken, dann erhob er sich und bedeutete Derkhan, nach nebenan zu gehen. Sie wartete in der winzigen Schlafkammer, während er im Büro die Lampen löschte.
    »Ist Grimsowieso immer noch Abnehmer?«, fragte er durch das Loch in der Mauer. »Dieser komische Wissenschaftler?«
    »Ja. Er ist ziemlich gut.«
    »Mir ist kürzlich ein merkwürdiges Gerücht über ihn zu Ohren gekommen.« Benjamin trat aus dem Schrank, er wischte sich an einem Tuch die ölverschmierten Hände ab. »Ist er dieser Typ, der es auf Vögel abgesehen hat?«
    »Stimmt, für irgendein Experiment. Du pflegst mit Kriminellen Umgang, Benjamin?« Sie zwinkerte ihm zu. »Er sammelt Flügel. Ich glaube, er hat es sich zum Prinzip gemacht, nie etwas legal zu erwerben, wenn er es sich auf anderen Wegen beschaffen kann.«
    Benjamin wiegte anerkennend den Kopf. »Respekt. Der Knabe versteht es, Dinge in Bewegung zu setzen.«
    Während er sprach, bückte er sich in den Schrank und setzte die Rückwand wieder ein, dann drehte er sich zu Derkhan herum.
    »Okay«, meinte er, »schlüpfen wir in unsere Rolle.«
    Derkhan nickte knapp und brachte vorsichtig das Haar ihrer weißen Perücke in Unordnung. Anschließend knotete sie ihre modisch verschlungenen Schnürsenkel auf.
    Benjamin zog sich das Hemd aus der Hose. Er hielt den Atem an und schwenkte die Arme, bis sein Gesicht dunkelrot anlief, dann stieß er prustend die Luft aus und schnaufte laut. Er musterte Derkhan skeptisch.
    »Komm schon, hab Erbarmen mit mir. Ich habe einen Ruf zu verlieren! Du könntest wenigstens etwas mitgenommen aussehen

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