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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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bedrohlich. Ein schrilles Juchzen ertönte, und Derkhan spürte einen Luftzug im Genick, als ein Wyrmen akrobatisch durch den kurzen Tunnel tauchte und an dessen Ende wieder steil in den Himmel stieg. Sein keckerndes Lachen hallte unter dem Bogen wider. Beim hastigen Ausweichen verlor sie das Gleichgewicht und stolperte gegen eine Mauer. Ihr Schimpfen vermischte sich mit dem Chor der Verwünschungen, die dem Wyrmen folgten.
    Die Architektur an diesem Ort gehorchte anderen Gesetzen als in der übrigen Stadt. Es gab keinen Plan. Dog Fenn schien aus Kämpfen geboren, in denen die Einwohner keine Rolle spielten. Die Knoten und Zellen aus Ziegeln und Holz und morschem Beton hatten zu wuchern begonnen und breiteten sich aus wie bösartige Tumore.
    Derkhan bog in eine feuchte und modrige Sackgasse ein und schaute sich suchend um. Dort, wo es nicht mehr weiterging, stand ein Remade-Pferd; anstelle der Hinterbeine besaß es enorme, von Kolben angetriebene Hämmer. Es war vor einen Viehwagen gespannt, den man rückwärts dicht an die Schlussmauer gefahren hatte. Ein paar finstere Gestalten lungerten herum, bei jeder davon konnte es sich um einen Spitzel der Miliz handeln, aber das Risiko musste sie auf sich nehmen.
    Sie ging um den Wagen herum. Man hatte sechs Sauen aus dem Wagen in einen improvisierten, zur Mauer hin offenen Pferch getrieben. Die aufgeregten Tiere schossen schrill quiekend und schreiend wie Säuglinge hierhin und dorthin, während zwei Männer unter großem Hallo eins zu packen suchten. Der einzige Ausgang des Pferchs war eine etwa anderthalb Meter hohe, halbrunde Öffnung am Fuß der Mauer. Durch diesen Schlund sah man hinunter in ein düsteres, stinkendes Gewölbe, erfüllt von dem roten Flackerlicht einiger weniger Gaslampen. Es wummerte und zischte, Gestalten kamen und gingen, tief gebückt unter tropfenden Lasten, wie Verdammte in einer albtraumhaften Hölle.
    Durch eine türlose Öffnung linker Hand stieg Derkhan über eine steile Treppe hinunter in das unterirdische Schlachthaus.
     
    Die Frühlingswärme wurde hier unten wie von einer infernalischen Glut vervielfacht. Derkhan suchte sich schwitzend einen Weg zwischen baumelnden Kadavern und Pfützen aus geronnenem Blut. Von einem Keilriemen angetrieben wanderten schwere Fleischhaken in einem endlosen, unbarmherzigen Kreislauf unter der Decke entlang in die schwarzen Eingeweide dieses nimmersatten Molochs.
    Selbst die gewetzten Messerklingen blinkten nur matt in dem rötlichen Zwielicht. Derkhan hielt sich einen Pomander vor Nase und Mund und schluckte gegen das Würgen an, das ihr bei dem ranzigen, schweren Gestank von Blut und lebenswarmem Fleisch in die Kehle stieg.
    Am anderen Ende des Raums standen drei Männer unter der Öffnung, die sie von der Straße aus gesehen hatte. Licht und Luft von Dog Fenn strömten wie Bleiche in das miasmatische Halbdunkel hinab.
    Wie auf ein unsichtbares Zeichen traten die drei Fleischhauer ein paar Schritte zurück. Die Männer oben hatten eine der Säue zu fassen bekommen, und inmitten einer anschwellenden Geräuschkulisse aus Fluchen und Grunzen und angstvollem Gezappel, schleuderten sie das enorme Gewicht durch die Öffnung. Schreiend stürzte das Tier in die Dunkelheit, den wartenden Messern entgegen.
    Bis zu Derkhan drang das grausige Knirschen und Knacken, mit dem bei der Landung die steif ausgestreckten kurzen Läufe zersplitterten. Strampelnd und in den höchsten Tönen kreischend lag das Schwein auf dem in Blut und Kot schwimmenden Steinboden, unfähig, wegzulaufen oder sich zu wehren. Die drei Männer gingen mit routinierter Präzision zu Werke. Einer legte sich über den Leib der Sau, für den Fall, dass sie sich aufbäumte, der zweite packte die langen Schlappohren und zog ihr den Kopf nach hinten, der dritte setzte das Messer an.
    Das gellende Schreien verebbte mit dem sprudelnden Blutstrom, der sich schwallweise auf den Boden ergoss. Die Männer wuchteten den massigen, zuckenden Kadaver auf einen Tisch, an dem eine rostige Säge lehnte. Einer der drei bemerkte Derkhan. Er versetzte seinem Kollegen einen Rippenstoß.
    »Olala, Ben, du stilles Wasser, du Schlawiner! Da ist dein fesches Hürchen!«, rief er gutmütig und laut genug, dass Derkhan es hören konnte. Der Angesprochene drehte sich um und winkte ihr zu.
    »Fünf Minuten!«, brüllte er. Sie nickte und drückte den Pomander auf den Mund, während sie Galle und Mageninhalt hinunterwürgte. Eins nach dem anderen wurden die plumpen, in Todesangst

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