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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Welt ist voll von Krisisenergie, aber wir haben noch keinen Weg gefunden, sie effektiv zu nutzen. Stattdessen schwappt sie immer mal wieder über, unberechenbar und unkontrollierbar – eine schreckliche Verschwendung.«
    Isaac schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Die Vodyanoi besitzen, glaube ich, die Gabe, das Potenzial der Krisisenergie anzuzapfen. In sehr bescheidenem Ausmaß. Es ist ein Paradoxon. Du leitest die vorhandene Krisisenergie in das Wasser, um es in eine Form zu bringen, gegen die es sich sträubt, so dass die Krisis kulminiert, bis sie sich auf dem Höhepunkt löst und das manipulierte Element wieder in seine gemäße Form zurückkehrt. Aber was, wenn die Vodyanoi Wasser benutzen, das sie bereits – äh – gekræftet haben, und es für ein Experiment benutzen, welches sich aus der kulminierenden Krisisenergie speist … ’tschuldigung, ich schweife ab. Langer Rede kurzer Sinn: Ich versuche, eine praktikable Methode zu entwickeln, mittels derer du Krisisenergie nutzen kannst, um zu fliegen. Wenn ich Recht habe, ist das die einzige autogene Energie, die dir immer und überall zur Verfügung stehen wird, und je länger du fliegst, desto reichlicher. Theoretisch jedenfalls …
    Doch nimm’s mir nicht übel, Yag, aber das, wovon wir hier sprechen, ist viel gewaltiger als dein Wunsch zu fliegen. Sollte es mir wirklich gelingen, Krisisenergie für dich nutzbar zu machen, dann wird dein Problem, offen gesagt, völlig unwichtig. Wir sprechen über Kräfte, die – die alles, einfach alles, verändern könnten, von Grund auf …«
    Es war, als hielte die Welt den Atem an. Die schäbige Umgebung des Lagerhauses wirkte zu klein und gering für diese ungeheuerlichen Perspektiven. Isaac starrte aus dem Fenster in die Waschküchennacht über New Crobuzon. Die Mondfrau und ihre zwei Töchter zogen am Himmel bedächtig ihre Bahn. Die Töchter, kleiner als ihre Mutter, aber größer als Sterne, leuchteten hart und kalt. Isaac träumte von Krisisenergie.
    Yagharek unterbrach das Schweigen.
    »Und falls du Recht hast – werde ich fliegen können?«
    Isaac, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, lachte. »Selbstverständlich, Yag, alter Freund. Falls ich Recht habe, kannst du wieder fliegen.«

 
KAPITEL 15
     
     
    Yagharek ließ sich nicht überreden, im Lagerhaus zu nächtigen. Ohne seine Gründe zu nennen, schlüpfte er hinaus in die Dunkelheit, trotz seines Stolzes ein zerlumpter Heimatloser, um irgendwo in einem Graben oder Kamin oder verfallenen Haus sein Nachtlager aufzuschlagen. Nicht einmal eine Mahlzeit wollte er annehmen. Isaac blieb in der offenen Tür stehen und schaute ihm nach. Der schwarze Umhang bauschte sich um das hölzerne Rahmenwerk der falschen Schwingen.
    Nach einer Weile schloss Isaac die Tür. Er stieg zu seiner Empore hinauf und trat ans Fenster. Die Hände auf den Sims gestützt, beobachtete er die schwimmenden Lichter auf dem Canker und lauschte dem Ticken seiner Uhr. Die Geräusche des Überlebenskampfes in der nächtlichen Stadt sickerten durch die Mauern zu ihm herein. Er hörte das melancholische Tuten von Maschinen und Schiffen und Fabriken. Im Erdgeschoss schien Davids und Lublamais Konstrukt im Verein mit dem Ticken der Uhr traumbefangen vor sich hin zu schnalzen.
    Isaac nahm die Skizzenblätter von den Wänden. Einige wurden für brauchbar befunden und wanderten in eine dicke Mappe. Viele musterte er kritisch und warf sie weg. Auf dem Polster seines stattlichen Bauches liegend, förderte er einen Abakus und einen Rechenschieber unter dem Bett hervor.
    Ich muss, dachte er, der Universität einen Besuch abstatten und einen ihrer Differenzialrechner mitgehen heißen. Kein leichtes Unterfangen. Die Sicherheitsvorkehrungen für Gerätschaften dieser Art waren neurotisch. Plötzlich fiel ihm ein, dass er Gelegenheit haben würde, persönlich die Art der Bewachung auszukundschaften: Er hatte doch für morgen einen Besuch eingeplant, um mit seinem gründlich gehassten Arbeitgeber Vermishank zu sprechen.
    Nicht, dass Vermishank ihm in letzter Zeit viel Arbeit gegeben hätte. Es war Monate her, seit er ein Billett in der engen, kleinen Handschrift bekommen hatte, das ihm mitteilte, seine Dienste würden benötigt, um irgendeinen abstrusen Ableger irgendeiner Theorie nachzuprüfen, der sich dann als Sackgasse erwies. Diese »Ersuchen« abzulehnen, konnte er sich nicht erlauben, er hätte seine Zugangsbefugnis zu den Einrichtungen der Universität aufs Spiel gesetzt und damit zu einem

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