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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wegnehmen … «
    Isaac wog das Paket in der Hand. Etwa zwei oder drei Pfund. Er riss es auf. Wieder stieß die Raupe ihre durchdringenden emotionalen Bettellaute aus. Isaac verzog schmerzlich das Gesicht.
    Das Dreamshit war eine Masse aus zusammengepappten braunen, klebrigen Pillen, die nach stark karamellisiertem Zucker rochen.
    »Was ist das für Zeug?«, fragte Isaac. »Ich habe davon gehört, aber keine Ahnung, was es damit auf sich hat.«
    »Brandneuer Stoff. Teu-er. Erst seit einem Jahr oder so auf dem Markt. Ziemlich – stark …«
    »Wie wirkt es?«
    »Schwer zu beschreiben. Willst du was kaufen?«
    »Nein«, sagte Isaac scharf, dann fiel ihm etwas ein. »Nein, nicht für mich jedenfalls. Wie viel würde dieser Batzen kosten?«
    Gazid zögerte mit der Antwort. Wahrscheinlich versuchte er abzuschätzen, um wie viel er übertreiben durfte.
    »Äh – zirka dreißig Guineen …«
    »Versuch nicht, mich zu verarschen, Freundchen – da musst du früher aufstehen. Ich kaufe dir das ab für …« Isaac überlegte. »Für zehn.«
    »Abgemacht!«, platzte Gazid heraus.
    Scheiße, dachte Isaac. Der kleine Wichser hat mich abgezockt! Er wollte anfangen zu feilschen, doch plötzlich besann er sich eines Besseren. Nachdenklich musterte er Gazid, der sich trotz seines verschmierten Gesichts und der blutigen Nase schon wieder aufplusterte.
    »Okay, abgemacht.« Isaac nickte ihm zu. »Hör mal, Lucky, unter Umständen brauche ich mehr von diesem Zeug, Nachschub, du verstehst, was ich meine? Und wenn wir uns weiterhin gut vertragen, sehe ich keinen Grund, weshalb du nicht mein alleiniger – Lieferant sein solltest. Aber falls ein Wermutstropfen in den Becher unserer Freundschaft fällt, Misstrauen, Geschwätzigkeit, solche hässlichen Dinge, müsste ich mich nach jemand anderem umsehen. Capito?«
    »Isaac, Bruder, du brauchst nichts weiter zu sagen … Wir sind Partner …«
    »Partner«, bestätigte Isaac gewichtig. Er war nicht so dumm zu glauben, dass er Lucky Gazid trauen konnte, aber wenigstens ließ die kleine Viper sich so bei Laune halten. Er würde kaum die Hand beißen, die ihn fütterte.
    Kein Arrangement auf Dauer, dachte Isaac. Aber fürs Erste habe ich ihn vom Hals.
    Er pulte eins der feuchten, klebrigen Klümpchen aus dem Paket. Es war ungefähr so groß wie eine Olive und mit einem zähen, schnell trocknenden Schleim überzogen. Er öffnete den Deckel des Raupenkäfigs einen Spalt breit und ließ die Dreamshit-Pille hineinfallen, dann hockte er sich hin, um durch den Maschendraht zu beobachten, was passierte.
    Seine Lider flatterten, als hätte man einen schwachen elektrischen Strom durch seinen Körper geleitet. Für einen Moment verschwammen alle Umrisse vor seinen Augen.
    »Weia …«, hörte er Lucky Gazid ächzen. »In meinem Kopf geht irgendwie alles drunter und drüber …«
    Isaac empfand ein flüchtiges Schwindelgefühl und gleich darauf eine überwältigende, vollkommene Ekstase. Einen Lidschlag später flutschten die geballten nichtmenschlichen Empfindungen spontan aus ihm heraus. Wie es sich anfühlte, durch die Nase.
    »Bei Jabber …« Sein Blick trübte sich, dann sah er plötzlich alles überscharf, als hätte jemand einen Schleier weggezogen. »Ein kleiner Empath bist du also.«
    Als er weiterbeobachtete, kam er sich vor wie ein Voyeur. Die Raupe ringelte sich um die Drogenpille wie eine Schlange um ihre Beute. Die Mundöffnung hatte sie über das obere Ende gestülpt und saugte und lutschte mit einer fast lasziven Gier. Aus den seitlich geschlitzten Kiefern quoll Speichelflüssigkeit. Sie verschlang ihre Ration wie ein Kind an Jabber’s Feast seinen Karamellpudding. Das Dreamshit schrumpfte rapide.
    »Bei Jabbers hinterwärtigem Lächeln«, sagte Isaac, »sie hat, scheint’s, eine Menge nachzuholen.« Er ließ noch fünf oder sechs Pillen in den Kasten fallen. Die Raupe wälzte sich glücklich in dem klebrigen Nest.
    Isaac richtete sich auf. Er schaute zu Lucky Gazid, der schwankend dastand und selig lächelnd der Raupe beim Fressen zusah.
    »Lucky, alter Knabe, wie’s aussieht, hast du meinem kleinen Experiment den Arsch gerettet. Sehr zu Dank verbunden.«
    »Ich bin ein Lebensretter, nicht wahr?« Gazid drehte sich auf wackligen Beinen um sich selbst. »Lebensretter! Lebensretter!«
    »Ja, im Ernst, genau das bist du. Aber schnapp nicht über!« Isaac warf einen Blick auf die Uhr. »Ich habe noch einiges an Arbeit zu erledigen, deshalb sei so gut und verdrück dich, in Ordnung?

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