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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Wach- und Schließgesellschaften, Söldner und die Miliz, in Uniform und Zivil, patrouillierten den Bereich vor der Fassade und das gebirgige Terrain aus Schiefer- und Lehmziegeln, beschützten die Banken und Läden, die Konsulate und Verwaltungsbüros in den verschiedenen Stockwerken. Sie wanderten wie Entdeckungsreisende auf sorgfältig geplanten Touren durch die Wildnis der Spitztürme und eisernen Wendeltreppen, vorbei an Mansardenfenstern und durch versteckte Dachgärten, schauten hinunter auf die Plaza und die lauschigen Winkel und die gewaltige Megalopolis.
    Doch weiter nach Osten, im rückwärtigen Teil des Bahnhofs, wo es hundert Laderampen und kleinere Betriebe gab, wachte das Auge des Gesetzes nur sporadisch. Das himmelstürmende Bauwerk war dunkler in diesem Bereich. Bei Sonnenuntergang fiel sein massiger Schatten über einen großen Teil von The Crow.
     
    Ein Stück entfernt vom Hauptkomplex des Bahnhofs, zwischen Perdido Street und Gidd Station, durchschnitt die Dexter Line einen Komplex alter Geschäftsgebäude, die vor langer Zeit durch einen Brand zerstört worden waren.
    Das Feuer hatte nicht die Bausubstanz angegriffen, aber der Schaden hatte dennoch die in den Räumen ansässige Firma in den Bankrott getrieben. Die verrußten Büros hatten lange leer gestanden, abgesehen von der gelegentlichen Frequentierung durch Obdachlose, die der Brandgeruch nicht anfocht, der auch nach Jahrzehnten noch zwischen den Wänden hing.
    Nach mehr als zwei Stunden quälend langsamen Vorwärtskommens waren Isaac und Yagharek in diesem trostlosen Refugium angelangt und hatten aufatmend die Tür hinter sich zugemacht. Sie ließen Andrej zu Boden gleiten, fesselten ihn wieder an Händen und Füßen und verpassten ihm ehe er aufwachte einen Knebel. Dann aßen sie die karge Verpflegung, die sie mitgebracht hatten, und warteten.
    Draußen war es noch hell, aber ihr Unterschlupf lag im Schatten der höheren Stockwerke des Bahnhofsgebäudes. In etwas mehr als einer Stunde würde es dämmrig werden und dann Nacht.
    Sie unterhielten sich halblaut. Andrej kam zu sich und machte wieder seine Geräusche, warf flehende Blicke durchs Zimmer, gab zu verstehen, man solle ihm die Fesseln abnehmen, aber Isaac schaute ihn mit Augen an, die zu müde und leer waren für Mitleid.
    Gegen sieben Uhr scharrte es an der von der Hitze des Feuers damals verzogenen Tür. Ein unüberhörbares Geräusch, trotz des von unten heraufdringenden Straßenlärms. Isaac zog die Pistole und bedeutete Yagharek, sich still zu verhalten.
    Es war Derkhan, erschöpft, schmutzig, das Gesicht eine Maske aus Schweiß und Staub. Sie schlüpfte mit angehaltenem Atem ins Zimmer, schloss die Tür, lehnte sich dagegen und atmete schnaufend aus.
    Endlich gab sie sich einen Ruck und schüttelte erst Isaac die Hand, dann Yagharek. Sie murmelten eine Begrüßung.
    »Ich glaube, jemand beobachtet das Haus«, berichtete sie aufgeregt. »Er steht unter der Markise des Tabakladens gegenüber. Grüner Umhang. Konnte sein Gesicht nicht erkennen.«
    Isaac und Yagharek spannten sich. Der Garuda huschte zu dem mit Brettern vernagelten Fenster und legte das Raubvogelauge an ein Astloch. Er musterte die andere Straßenseite.
    »Da ist niemand«, konstatierte er leidenschaftslos.
    Derkhan trat neben ihn und schaute ebenfalls durch das Loch.
    »Vielleicht hat er ja nur da herumgelungert«, meinte sie. »Aber ich würde mich ein, zwei Stockwerke weiter oben sicherer fühlen, für den Fall, dass wir jemanden hereinkommen hören.«
    Da sie nicht mehr gezwungen waren, darauf zu achten, dass sie kein Aufsehen erregten, konnte Isaac dem greinenden alten Mann mit der Pistole Beine machen und der Umzug war im Nu bewerkstelligt. Auf der Treppe hinterließen sie Fußabdrücke in der Rußschicht auf den Stufen.
    In der obersten Etage waren die Fensterrahmen leer, keine Scheiben, keine Bretter, und sie hatten freien Ausblick über ein schmales Dachziegelband auf den vielfach gestuften Bahnhofsmonolithen. Sie warteten, während der Himmel dunkler wurde. Endlich, im matten Flackern der orangefarbenen Gaslichter, kletterte Yagharek aus dem Fenster und landete geschickt auf der bemoosten Mauer unten. Er ging die zwei Meter zu dem Grat aus aneinander stoßenden Dächern, der diese Häuserzeile mit der Dexter Line und der Perdido Street Station verband. Der Koloss kauerte plump und wuchtig im Westen, betupft mit ungleichmäßig angeordneten Lichtern, wie eine zur Erde gesunkene

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