Perdido Street Station 02 - Der Weber
langsamen und bedeutungsvollen Drehen und Wenden des Kopfes auf ihn hinunterschaute. Seine verhärmten Muskeln zuckten, sträubten sich vergeblich gegen Derkhans Griff; sie überwand seine Gegenwehr ohne Mühe, schleifte ihn zurück zu seinem Platz und hielt ihn fest.
Isaac hatte den Vorfall gar nicht bemerkt. Er hielt dem Weber beschwörend den Helm entgegen.
»Du musst ihn aufsetzen«, drängte er. »Setz ihn auf. Wir können mit ihnen fertig werden, mit allen vier. Du hast gesagt, du würdest uns helfen – das Netz zu reparieren … Bitte!«
Der Regen prasselte auf den harten Chitinpanzer des Webers. Alle paar Sekunden gab es ein, zwei Tropfen, die zischend verdampften, sobald sie ihn berührten. Der Weber redete ununterbrochen weiter, wie es seine Art war, ein kaum hörbares Murmeln, das Isaac und Derkhan und Yagharek nicht verstehen konnten.
Er streckte die glatten, menschlichen Hände aus und setzte den Helm auf das arachnoide Haupt.
Isaac fiel ein Stein vom Herzen, er schloss erschöpft für einen Moment die Augen.
»Setz ihn auf«, wiederholte er. »Du musst ihn festschnallen.«
Der Arachnide tat es mit Fingern flink wie die eines Schneidermeisters.
… WIRST DU KRIBBELN UND KRABBELN …, singsangte er, … WENN DENKGEDANKEN DURCHTRÖPFELN DICKDÜNNE DRÄHTE UND MISCHEN UND MENGEN MEINE MYRIADEN WOLKENKUCKUCKSHEIMEREIEN MEHR UND MEHR UND AUS HINAUS MEIN GESCHICKTER UND KUNDIGER KNÜPFER VON MUSTERN …, und während der Weber fortfuhr mit seinen undeutbaren, tranceähnlichen Verkündigungen, sah Isaac die letzte Schließe unter den furchterregenden Kinnbacken einrasten. Er drehte die Schalter, die die Kreisläufe in Andrejs Helm in Gang setzten, und legte die Hebel um, die das ganze Potenzial der analytischen Rechner und der Krisismaschine aktivierten. Dann trat er einen Schritt zurück.
Ungewöhnliche Ladungen flossen durch die abenteuerlich zusammengebaute Apparatur auf dem Dach.
Es gab einen Moment sehr tiefer Stille, als selbst der Regen innezuhalten schien.
Funken in extravagantem Farbenspektrum sprühten um Kabelkupplungen.
Ein gewaltiger Energiestoß ließ Andrejs geduckten Körper kerzengrade auseinander fahren; für einen kurzen Moment war er von einer flackernden Korona umgeben. Sein Gesicht war eine Maske verständnisloser Qual.
Isaac und Derkhan und Yagharek beobachteten ihn gebannt.
Angeregt von den großen Schüben geladener Partikel, die die Batterien durch den verschlungenen Kreislauf jagten, begannen Energieströme und Datenbefehle in komplexen Feedbackschleifen zu interagieren, ein auf femtoskopischer Ebene unendlich schnell ablaufendes Drama.
Der Kommunikatorhelm nahm seine Arbeit auf, saugte die Exudationen von Andrejs Geist auf und amplifizierte sie in einem Strom aus Thaumaturgonen und Wellenformen. Sie rasten mit Lichtgeschwindigkeit durch die Schaltkreise und strebten zu dem invertierten Trichter, der sie lautlos in den Æther hinaustrompeten sollte. Doch sie wurden abgelenkt.
Sie wurden zerlegt, gelesen, mathematisiert unter dem geordneten Rattern winziger Ventile und Relais.
Einen minimalen Moment später barsten zwei weitere Energieströme in den Kreislauf, erst die Emanationen des Webers, durch das Verbindungskabel seines Helms geleitet, einen Sekundenbruchteil später kam der Datenstrom des Konstrukt Konzils Funken sprühend durch das bunt zusammengestückte Kabel von der Griss Twist Deponie, jagte Straßen hinauf und hinunter, in einem mächtigen Schwall durch die Ventile und in die Schaltkreise von Andrejs Helm.
Isaac hatte beobachtet, wie die Gierfalter sabbernd mit ihren Zungen den Körper des Webers abschleckten. Er hatte gesehen, wie sie trunken wurden, aber nicht satt.
Der gesamte Körper des Webers emanierte mentale Wellen, aber sie waren nicht so wie die anderer denkender Wesen. Die Gierfalter schleckten eifrig und bekamen Geschmack, aber keine Nahrung.
Der Weber dachte in einem ununterbrochenen, unverständlichen, undulierenden Strom von Apperzeption. Das Bewusstsein des Webers hatte keine Ebenen, da war kein Ego, um die niederen Funktionen zu überwachen, kein animaler Kortex, um den Geist zu verankern. Für den Weber gab es keine Träume des Nachts, keine verschlüsselten Botschaften aus den geheimen Winkeln des Verstandes, keinen mentalen Kehraus von angesammelten Miszellaneen, wie es einem geordneten Bewusstsein anstand. Für den Weber waren Traum und Wachen eins. Der Weber träumte, er wäre wach, und im Wachen träumte er – ein
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