Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
auf die Gefahr aufmerksam. Er schaute sich um und sah Yagharek geduckt hinter sich stehen, seine Bullenpeitsche schnellte wie eine schwarze Schlange zu dem Soldaten hin, dessen Kopf über der Dachkante aufgetaucht war. Die geflochtene Schnur wand sich um seinen Hals, Yagharek ruckte, und der Mann schlug krachend mit der Stirn gegen die Pfannen.
    Er riss die Peitsche zurück, während der Soldat röchelnd die Schräge hinunterrollte.
    Isaac hantierte fluchend an seiner störrischen Pistole. Er beugte sich vor und sah, dass zwei von den Soldaten, die geschickt worden waren, um Jack Gotteshand außer Gefecht zu setzen, sterbend am Boden lagen, aus grässlichen Wunden blutend. Ein dritter hielt seinen aufgerissenen Schenkel umklammert und ergriff humpelnd die Flucht. Gotteshand und der vierte Mann waren verschwunden.
    Die Rufe der Milizzer flogen kreuz und quer über die Dachschräge, sie waren verunsichert, ratlos. Von ihrem Hauptmann angetrieben, setzten sie den Angriff trotzdem fort.
    »Haltet sie auf!«, schrie Isaac. »Die Falter sind da!«
    Die drei Gierfalter schwebten in sich kreuzenden Spiralen zum Dach hinunter, ein Gaukelflug um die Spindel aus Energie, die zyklopisch aus Andrejs Helm wuchs. Unter ihnen, auf dem flachen Dach, trippelte und tanzte der Weber, aber die Falter sahen ihn nicht. Sie sahen nichts, außer Andrejs zuckender Gestalt, dem Ursprung, dem Quell der oh, so reichen süßen Labe, die als gischtende Fontäne in den Himmel sprang. Sie waren ekstatisch.
    Wassertürme und Backsteinzinnen reckten sich um sie in die Höhe wie ausgestreckte Hände, als sie einer nach dem anderen aus dem freien Himmel in das Geklüft der Stadtlandschaft sanken und in den Gaslichtnimbus, der zwischen den Häusern waberte.
    Eine warnende Unruhe regte sich in ihnen, die Ahnung, dass etwas nicht seine Richtigkeit hatte mit dem Duftgeschmack, der sie umwogte – doch er war so stark, so übermächtig, und sie waren so trunken davon und durchwogt von brünstiger Gefräßigkeit, dass sie nicht innehalten konnten in ihrem schwindelerregenden Kreiselflug.
    Isaac hörte Derkhan einen gräulichen Fluch ausstoßen. Yagharek war quer über das Dach zu ihr hingesprungen und hatte mit einem geschickten Peitschenhieb den Angreifer von ihr weggerissen. Isaac feuerte auf den stürzenden Mann und hörte ihn schmerzerfüllt grunzen, als die Kugel seine Schulter zerfetzte.
    Die Luftschiffe standen jetzt fast genau über ihnen. Derkhan saß ein Stück von der Dachkante entfernt und blinzelte sich den Ziegelstaub aus den Augen, den eine dicht neben ihr einschlagende Kugel aus der Mauer gerissen hatte.
    Fünf Milizzer waren noch übrig, und sie kamen näher, wenn auch langsam und um Deckung bemüht.
    Ein letzter riesiger, amorpher Schatten strich aus südöstlicher Richtung kommend über die Stadt dahin, schwenkte in einer langen S-Kurve unter der Spit-Hearth-Gleistrosse hindurch und schoss wieder empor, ließ sich von den Aufwinden der schwülen Nacht zum Bahnhof tragen.
    »Sie sind alle hier«, flüsterte Isaac.
    Während er ungeschickt die Pistole nachlud und dabei Pulver verstreute, schaute er nach oben. Er riss die Augen auf: Der erste Falter näherte sich dem Köder, war dreißig Meter über ihm und dann zwanzig, dann plötzlich zehn und fünf. Er schien reglos in der Luft zu hängen, während die Zeit sich dünn und zäh um ihn dehnte. Isaac sah die zum Greifen gekrümmten, affenartige Pfoten und den zackenbesetzten Schweif, das klaffende Maul und schnatternde Zähne, Augengruben mit stummeligen Fühlern wie suchende Maden, hundert fleischigen Auswüchse, die wie Peitschenschnüre ziellos schnellten, sich spreizten, reckten, zuklappten in hundert rätselhaften Gebärden – und die Flügel, diese ungeheuerlichen, staunenerregende Schwingen, durchblutet von Wellen gebrochener Farben in Ebbe und Flut.
    Er betrachtete den Falter mit bloßem Auge, ohne den Umweg über die Spiegel. Die Kreatur interessierte sich nicht für ihn. Sie beachtete ihn nicht.
    Einen langen Moment fühlte er sich wie gelähmt, als die schrecklichen Erinnerungen ihn überfielen.
    Der Gierfalter glitt an ihm vorbei, und ein stürmischer Luftzug fuhr Isaac durch das Haar und den Mantel.
    Die vielgliedrige Kreatur reckte Arme und Beine, entrollte die ellenlange Zunge, geiferte und schnatterte in obszönem Hunger. Wie ein Nachtmahr landete sie auf Andrejs Brust, umschlang ihn fest und versuchte zu trinken.
    Während ihre Zunge flink in Andrejs Schädelöffnungen glitt

Weitere Kostenlose Bücher