Perdido Street Station 02 - Der Weber
einer Hand das Messer, in der anderen den Generator, der seine Gehirnwellen tarnte.
Das zweite Konstrukt, das noch auf dem Rücken des Gierfalters ritt, blies wieder eine Feuerwelle über dessen Haut, sodass das Tier vor Schmerz kreischte. Die Krallenhände griffen nach hinten und scharrten an dem Körper des Affenwesens nach einem Halt. Er bekam es an einem Arm zu fassen, riss es sich vom Rücken und schlug es gegen den Boden. Die Glasaugen zersplitterten, die Metallhülle des Schädels platzte auf, Ventile und Spulen spritzten heraus. Den Trümmerhaufen warf er beiseite. Das letzte Konstrukt wich ein Stück zurück, um den gewaltigen Gegner aus passendem Abstand mit Säure zu besprühen, doch zwei Knochenscheiben, gezähnt wie Sägeblätter, schnellten vor und schnitten es mühelos in zwei Teile.
Die obere Hälfte regte sich und krebste ziellos über den Boden. Die Säure, die das Konstrukt in seinem Rumpf getragen hatte, vermischte sich mit dem Staub zu einem beißend qualmenden Brei, der sich in die Körper der toten Kaktusleute ringsum hineinfraß.
Der Gierfalter fuhr mit den Krallenhänden durch die klebrig verschmorte Masse des zerstörten Geleges. Er wimmerte und winselte und trauerte um seine Brut.
Isaac behielt den Falter mittels der Spiegel im Auge, während er sich an der Wand entlang zu Shadrach hinschob, der stöhnend und vor Schmerz halb betäubt auf dem Boden lag. Er sah links, rechts, links den gespiegelten Falter sich umdrehen, fauchend die Zunge aus dem Maul schnellen. Dann bewegte sich die Kreatur mit ausgebreiteten Schwingen zielstrebig auf Shadrach zu.
Isaac bemühte sich nach Kräften, den Gefährten noch rechtzeitig zu erreichen, doch er war zu langsam. Der Gierfalter stakte an ihm vorbei, und wieder war der Wissenschaftler zu einer raschen Kehrtwendung gezwungen, um den furchtbaren Räuber weiter in den Spiegeln zu beobachten.
Hilflos, starr vor Entsetzen, musste er mit ansehen, wie der Gierfalter Shadrach vom Boden hochzog. Shadrachs Augäpfel rollten in den Höhlen. Er war nur halb bei Besinnung, von oben bis unten voller Blut, und wahrscheinlich hatte er sich etliche Knochen gebrochen.
Die Beine trugen ihn nicht, er rutschte an der Wand in sich zusammen. Der Gierfalter zog ihm die Arme auseinander, und dann, so blitzschnell, dass Isaacs Begreifen um Sekunden hinterherhinkte, rammte er ihm zwei seiner langen Krallen durch die Handgelenke und nagelte ihn an die Wand.
Shadrach und Isaac schrien auf wie aus einem Mund.
Nachdem er sich sein Opfer mundgerecht parat gestellt hatte, streckte der Falter seine fast menschlichen Hände aus und schob Shadrachs Lider auseinander. Isaac beschwor ihn flüsternd, er solle die Augen geschlossen halten, aber der Aventurier war verwirrt, schmerzbetäubt und schaute sich ratlos um, was mit ihm geschehen war.
Stattdessen sah er die Flügel des Gierfalters.
Schlagartig wurde er schlaff und still, und der Falter, dessen Rücken noch von den Flammenattacken der Konstrukte rauchte und schmorte, beugte sich vor, um zu trinken.
Isaac konnte nicht länger hinschauen. Er drehte den Kopf ein wenig, um nicht zu sehen, wie diese grässliche Zunge Shadrach den Verstand aussaugte. Langsam und unauffällig näherte er sich der in den Boden eingelassenen Grube vor der Tunnelöffnung. Seine Beine zitterten, er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass ihm die Kinnbacken wehtaten. Falls es ihm vergönnt sein sollte, unbemerkt in den Gang zu schlüpfen, dann konnte er hoffen, lebend und seiner Sinne mächtig aus dieser Todesfalle zu entkommen.
Er verschloss seine Ohren vor dem Schmatzen und Schlürfen, dem fetten, wonnigen Grunzen und dem Tropftropftropf von Speichel oder Blut, während er sich einen tastenden Schritt nach dem anderen dem einzigen Ausgang näherte, den dieses Zimmer hatte.
Er sah das andere Ende des an seinem Helm befestigten Metallschlauchs noch unberührt in der Ecke liegen. Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Seine Bewusstseinsessenz leckte aus der Öffnung. Der Gierfalter musste wissen, dass sich ein weiteres vernunftbegabtes Wesen im Raum befand. Je näher Isaac dem Tunnel kam, desto geringer wurde auch der Abstand zwischen ihm und der Schlauchmündung. Der Trick, den Gierfalter damit abzulenken, konnte ihm nun zum Verhängnis werden.
Und doch, und doch – es schien, dass er Glück haben sollte. Der Gierfalter war so damit beschäftigt, sich satt zu trinken und, nach den Geräuschen von zerreißendem Fleisch zu urteilen, an des
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