Perdido Street Station 02 - Der Weber
dem Konstrukt vorbei in das Loch hinein, die Schwingen unerklärlich zusammengelegt und eingefaltet, sodass sie nirgends anstieß. Sie nahm keine Notiz von mir, sondern schaute sich um, als würde sie gejagt. Ich spürte eine wellenähnliche Bewegung im Raum, die ihr folgte, etwas glitt unter der Haut der Welt entlang und fuhr mit dem Gierfalter in den Tunnel. Ich schickte den Affen hinterdrein. Ich hörte ein Knirschen, das Singen von auseinander springendem Metall. Ich weiß nicht, was geschehen ist.«
»Der gottverdammte Weber hielt es für opportun, das Konstrukt einzuschmelzen«, erklärte Isaac mit schwankender Stimme. »Allein die Götter wissen, warum.« Er rappelte sich hoch.
»Wo ist Shadrach?«, fragte Yagharek.
»Erwischt hat’s ihn. Er wurde ausgetrunken!« Isaac stolperte zum Fenster, beugte sich hinaus und schaute auf die fackelbeleuchteten Straßen. Man hörte die schweren, polternden Schritte laufender Kaktusleute. Um die Fackeln, die sie trugen, wallten und schwappten die Schatten wie Öl in Wasser. Er drehte sich wieder zu Yagharek herum.
»Es war schrecklich«, sagte er hohl. »Ich konnte nichts tun, gar nichts. Der Weber erschien und sagte mir, ich solle verschwinden, weil die Falter riechen könnten, dass etwas passiert ist. Shadrach und ich, wir haben ihr Gelege verbrannt.« Er spuckte die Worte aus, mit kalter, grimmiger Befriedigung. »Das verfluchte Biest hatte Eier gelegt und wir haben die ganze Brut eingeschmolzen, aber die anderen Falter konnten es spüren und sie sind auf dem Weg hierher. Wir müssen weg, sofort!«
Yagharek schwieg einen Moment und überlegte, dann schaute er Isaac an und nickte.
Sie liefen die dunkle Treppe hinunter. Auf den letzten Stufen vor der ersten Etage bemühten sie sich, leise zu sein, weil sie sich an das Paar erinnerten, das vorhin noch wach gewesen war. Aber durch die offene Tür sahen sie in dem schwachen Licht von draußen, dass der Raum leer war. Sämtliche Kaktusleute, die sich darin für die Nacht eingerichtet hatten, waren wie die anderen auf die Straße hinausgelaufen.
»Gottschiet!«, fluchte Isaac. »Man wird uns sehen, garantiert wird man uns sehen! Da draußen wimmelt es! Und wir verlieren unsere Schattentarnung.«
Sie blieben unter der Haustür stehen und spähten um die Ecke die Straße hinauf und hinunter. Von allen Seiten hörte man das Knistern der Fackeln. Gegenüber lag, als einzige unbeleuchtet, die schmale Gasse, in der ihre Gefährten warteten. Yagharek starrte angestrengt hinüber, doch selbst seine Augen konnten die Dunkelheit nicht durchdringen.
Ein Trupp Kaktusleute stand an dem vom Sockel der Kuppel abgeschnittenen Ende der Straße, neben dem vernagelten Stumpf des Hauses, welches, wie Isaac jetzt wusste, das Nest der Gierfalter beherbergte. Am entgegengesetzten Ende, wo an der Gabelung diese Straße sich mit der anderen vereinte und in Richtung der Zikkurat zwischen den Häusern verlor, eilten Trupps von Kaktuskriegern hin und her.
»Gottschiet, sie müssen den Radau gehört haben«, zischte Isaac. »Wir müssen verschwinden oder wir sind geliefert. Einer nach dem anderen.« Er zog Yagharek vor sich und stemmte ihm die Arme gegen den Rücken. »Du zuerst. Du bist besser zu Fuß und besser getarnt. Los. Los!« Er gab ihm einen Schubs.
Yagharek reagierte prompt. Er setzte sich in einen gemächlichen Dauerlauf und steigerte nach und nach das Tempo. Es war keine kopflose Flucht, die Aufmerksamkeit erregt hätte, sondern er richtete es so ein, dass, falls einer der Kaktusleute die Bewegung registrierte, er glauben musste, es handle sich um einen der eigenen Leute. Tansells Schattenzauber und die damit einhergehende Illusion von Ruhe halfen, seine Gestalt zu verschleiern.
Fünfzehn Meter waren es bis zur rettenden Dunkelheit. Isaac hielt den Atem an, beobachtete, wie sich die Muskeln an Yaghareks narbigem Rücken bewegten.
Die Kaktusleute redeten aufgeregt in ihrer harten Mischsprache durcheinander, offenbar ging es um die Zusammenstellung eines Spähtrupps. Zwei von ihnen hatten schwere Hämmer und bearbeiteten damit abwechselnd den zugemauerten Eingang des letzten, um mindesten zwei Etagen gestutzten Hauses, wo, soweit Isaac wusste, die Falter und der Weber immer noch ihren mörderischen Pas de trois tanzten.
Die Schwärze der Gassenmündung nahm Yagharek auf.
Isaac atmete tief durch, dann verließ er seine Deckung. Er ging mit großen, schnellen Schritten über die Straße und bemühte sich, durch den Einsatz seines
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