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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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und an diesen Stellen bildete allein der aufgestaute Dreck eine Barriere, die die Deponie an der Auflösung hinderte.
    Immer wieder kam es vor, dass ganze Wächten Müll abbrachen und als schmierige Lawine ins Wasser rollten.
    Die riesigen Kräne, die die Müllschuten leichterten, waren ursprünglich durch einen Streifen Niemandsland – kriechendes Strauchwerk und steinharte Erde – von der eigentlichen Deponie getrennt gewesen, aber der Müll hatte ihn schleichend eingefordert. Heutzutage mussten die Müllwerker und Kranführer über die Schrott- und Schlackewüste zu ihren Arbeitsplätzen marschieren, zu den Kränen, die unmittelbar der vulgären Geologie der Deponie entsprossen schienen.
    Man konnte glauben, die Schlacke sei fruchtbar und brächte stählerne Bäume hervor.
    Derkhan und der Vodyanoi gingen weiter, bis sie schließlich die Residenz des Konzils nicht mehr sehen konnten. Sie hinterließen eine Spur aus Kabel, das unsichtbar wurde, sobald es den Boden berührte, Gleich zu Gleich gesellt, ein bedeutungsloses Stück Abfall in einem Vexierpanorama industriellen Kehrichts.
    Zum Fluss hin wurden die buntscheckigen Hügel flacher. Vor ihnen stach der Zaun anderthalb rostige Meter aus der obersten Schicht. Derkhan schwenkte aus der bisherigen Richtung ab, dorthin, wo eine große Lücke im Zaun ungehinderten Zugang zum Fluss gewährte.
    Jenseits der ölig schillernden Wasserfläche sah man New Crobuzon liegen. Für einen Moment tauchten die wuchtigen Turmhelme der Perdido Street Station auf, genau in der Mitte der Zaunlücke, wie eingerahmt; sie schienen auf dem Dächermeer zu thronen. Derkhan konnte die Gleistrossen erkennen, girlandengleich zwischen dem Spike und seinen Subalternen gespannt; wie einzelne Nägel ragten sie, je näher, desto höher, aus dem Fundament der Stadt. Dazwischen stachen verstreut die Zeugtürme der Miliz schmal und spitz gen Himmel.
    Gegenüber wallte Spit Hearth behäbig zum Fluss hinunter. Es gab keine durchgehende Uferpromenade, nur Straßenabschnitte, die den Tar ein Stück begleiteten, dann private Gärten, fensterlose Lagerhausmauern und Brachland. Kaum Gefahr, dass jemand Derkhans Vorbereitungen beobachtete.
    Ein paar Meter vor dem Zaun ließ Derkhan das Kabelende fallen und ging vorsichtig weiter zu der Lücke. Sie tastete mit dem Fuß voraus, ob der Boden auch fest war; ihr lag nicht daran, plötzlich mit einer Drecklawine drei Meter tief in den brackigen Fluss zu stürzen. So weit vorgebeugt, wie sie sich traute, suchte sie mit Blicken die bewegte Wasseroberfläche ab.
    Die Sonne sank langsam den Dächern im Westen entgegen, und das schmutzige Schwarz des Wassers bekam einen rötlichen Schimmer.
    »Penge!«, zischte Derkhan. »Bist du da?«
    Gleich darauf hörte man ein leises Plätschern und eins der unidentifizierbaren Stücke Treibgut, die der Fluss mitführte, näherte sich. Gegen die Strömung.
    Pengefinchess hob träge den Kopf aus dem Wasser. Derkhan lächelte. Sie empfand eine schwer zu beschreibende, verzweifelte Erleichterung.
    »Also gut«, sagte Pengefinchess. »Zeit für meinen letzten Auftrag.«
    Derkhan nickte. »Sie wird dir helfen«, wandte sie sich dann an den männlichen Vodyanoi, der seine Landsmännin erschreckt und misstrauisch beäugte. »Das Kabel ist zu schwer für dich allein. Wenn du hineinspringst, schiebe ich es zu euch hinunter.«
    Er brauchte ein paar Sekunden, um zu entscheiden, dass das Risiko, welches die Fremde möglicherweise darstellte, weniger wichtig war als die Arbeit, die der Gottmaschien ihm aufgetragen hatte. Auf seinem flächigen Gesicht malte sich nervöses Unbehagen, doch er nickte. Er patschte zu der Zaunlücke, stand dort eine Sekunde, schnellte dann in elegantem Bogen in die Höhe und tauchte ins Wasser, fast lautlos und ohne dass es aufspritzte.
    Pengefinchess musterte ihn ihrerseits misstrauisch, als er auf sie zupaddelte.
    Derkhan hatte sich derweil umgeschaut und ein zylindrisches Eisenrohr entdeckt, etwa so dick wie ihr Oberschenkel. Es war lang und entsetzlich schwer, aber unter Auferbietung aller Kräfte, den Protest ihrer gequälten Muskeln ignorierend, rollte, schob und schleifte sie es zum Zaun und rückte es quer vor die breite Lücke. Sie reckte die Arme, wartete, bis das Brennen in Schultern und Rücken abgeklungen war, stolperte zurück zu ihrem Kabel und zerrte die widerspenstige Gummischlange zum Flussufer.
    Über das Eisenrohr hinweg schob sie es zu den wartenden Vodyanoi hinunter, zerrte die nächsten

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