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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Hof hielt, glaubte sie, gedämpfte Stimmen zu hören. Sie blieb stehen und nahm die Pistole zur Hand, überzeugte sich, dass sie geladen war und Pulver in der Pfanne.
    Wachsam ging Derkhan weiter, trat vorsichtig auf, um möglichst kein Geräusch zu verursachen. Am Ende einer oben offenen Röhre aus Müll öffnete sich die ihr beschriebene Mulde. Jemand bewegte sich kurz durch ihr Gesichtsfeld. Sie schlich näher heran.
    Dann ging wieder jemand vorbei, und sie sah, dass der Betreffende einen Arbeitsanzug anhatte und sich mit einer schweren Last abschleppte. Über einer breiten Schulter trug er eine dicke, schwarze Rolle Kabel, das sich um seinen Oberkörper wand wie die Schlingen einer hungrigen Würgeschlange.
    Sie richtete sich auf. Es war nicht die Miliz, die ihr auflauerte. Sie befand sich im Reich von Konstrukt Konzil.
     
    Gleich nachdem Derkhan ins Freie getreten war, ging ihr erster Blick zum Himmel, um zu sehen, ob dort Luftschiffe patrouillierten. Erst dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Geschehen auf dem Platz zu und staunte über die Größe der Versammlung.
    An die hundert Männer und Frauen waren, wo man hinschaute, mit allen möglichen rätselhaften Verrichtungen beschäftigt. In der überwiegenden Zahl waren es Menschen, aber sie entdeckte auch eine Hand voll Vodyanoi und sogar zwei Khepri. Alle trugen billige, schmutzige Kleidung. Und fast alle hantierten in irgendeiner Weise mit gewaltigen Rollen Starkstromkabel.
    Das Kabel war nicht einheitlich, es gab verschiedene Sorten. Schwarz überwog, aber es gab auch braun und blau Ummanteltes, und rotes und graues. Stämmige Männer mühten sich zu zweit mit Schlingen, die fast die Dicke eines Männerschenkels hatten, andere trugen isolierten Draht von kaum mehr als einem Zentimeter Durchmesser.
    Das Stimmengewirr erstarb, als sie auf den Platz trat, und alle Augen richteten sich auf sie. Derkhan schluckte und ließ ihrerseits den Blick über die Menge wandern. Der Avatar stelzte auf steifen, dünnen Beinen auf sie zu.
    »Derkhan Blueday«, sagte er, »wir sind bereit.«
     
    Derkhan stand dicht neben dem Avatar des Konzils und überprüfte mit ihm zusammen die Angaben auf einem flüchtig gezeichneten Lageplan.
    Der offenen Hirnschale des Avatars entstieg ein extravaganter Hautgout, in der Hitze absolut unerträglich. Derkhan hielt den Atem an, so lange es ging und schnappte, wenn sie nicht mehr konnte, hinter dem vorgehaltenen Ärmel ihres schmutzigen Umhangs nach Luft.
    Während sie und der Konzil beratschlagten, hielt die Gemeinde sich respektvoll im Hintergrund.
    »Was du hier siehst, ist fast meine vollzählige Blutlebengemeinde«, sagte der Avatar. »Ich habe bewegliche Teile meiner selbst als Boten ausgeschickt und die Gläubigen sind herbeigeströmt.« Er schwieg und stieß ein mechanisch klingendes Glucksen aus. »Wir müssen uns beeilen«, verkündete er. »Es sind siebzehn Minuten nach siebzehn Uhr.«
    Derkhan schaute zum Himmel, dessen Helle allmählich von der Dämmerung aufgesogen wurde. Sie war überzeugt, dass der Zeitmesser, den der Konzil befragte, irgendein tief in den Eingeweiden der Deponie vergrabener Chronometer, auf die Sekunde genau ging. Sie nickte.
    Auf ein Kommando des Avatars verließen die Jünger nach und nach die Mulde, gebückt unter dem Gewicht ihrer Lasten. Bevor sie in einer der zahlreichen Klüfte verschwanden, wandten sie sich der Stelle in der Umwallung aus aufgehäuftem Schrott zu, wo der Konstrukt Konzil lag, unkenntlich, eins mit seiner Umgebung. Sie grüßten ihren Heilsbringer mit der Gebärde, die an ineinander greifende Zahnräder erinnerte, legten sogar die Kabelrolle nieder, um die Hände frei zu haben.
    Derkhan beobachtete die fromme Helferschar kritisch.
    »Sie werden es nicht schaffen«, meinte sie. »Sie sind nicht stark genug.«
    »Viele haben Fuhrwerke mitgebracht«, erwiderte der Avatar. »Sie gehen in Schichten.«
    »Fuhrwerke …«, fragte Derkhan. »Woher?«
    »Manche besitzen eins. Andere haben sich auf meine Anweisung hin für heute eins geliehen. Keins wurde gestohlen. Wir dürfen nicht riskieren, Aufmerksamkeit auf uns zu lenken und Nachforschungen herauszufordern.«
    Derkhan schaute zur Seite. Die Kontrolle, die der Konzil über seine Jünger ausübte, war ihr nicht geheuer.
    Als auch der letzte Nachzügler die Mulde verlassen hatte, begaben Derkhan und der Avatar sich zum Haupt des Konstrukt Konzils. Der Konzil lag auf der Seite, nur aus der Nähe und bei genauem Hinsehen zu unterscheiden

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