Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
angestellt. Sein Geständnis bei seinem Cellolehrer fiel ihm ein, und das Gesicht, das Herr Jegelin beim Abschied gemacht hatte.
    Vater öffnete die Tür zum Esszimmer. »Komm herein«, sagte er. »Ich muss mit dir sprechen.«
    #
     

 
     
    Kapitel 6
     
    Das Licht des späten Nachmittags fiel in einem breiten Streifen durch das große, südwestlich orientierte Fenster und quer über den Esstisch, der leer war bis auf ein in dunklen Karton gebundenes Fotoalbum. Die Schatten von ein paar großen Zweigen zauberten seltsame Muster auf das blank gescheuerte Holz. Das fleckige Licht, das von der Tischplatte reflektiert wurde, ließ die Aquarelle seiner Mutter, die ringsum entlang der Wand hingen, wie kleine Fenster in eine bedrückende Welt aussehen.
     
    »Setz dich«, sagte Vater, und Wolfgang setzte sich. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was passiert war. Herr Jegelin hatte nach dem, was er ihm erzählt hatte, Angst um seine Einnahmen bekommen und sofort Vater verständigt. Und jetzt war ein Donnerwetter fällig, ein Vortrag über das unglaubliche Talent, das er habe, die Verpflichtung, die es darstellte, und so weiter.
    Jedenfalls würde er seinem Cellolehrer nichts mehr anvertrauen, das stand fest.
    Vater setzte sich auch, auf den Stuhl gegenüber. Er wischte über die Tischplatte, als müsse er imaginäre Krümel entfernen, und faltete dann die Hände. Er schien nicht genau zu wissen, wie er beginnen sollte.
    »Weißt du«, fragte er schließlich zu Wolfgangs maßloser Verblüffung, »was ein Klon ist?«
    Wolfgang konnte es nicht vermeiden, dass ihm ein ächzender Laut entwich. »Was?«
    »Ein Klon«, wiederholte Vater. »Weißt du, was mit diesem Begriff gemeint ist?«
    »Klar. Klar weiß ich, was ein Klon ist.«
    »Erklär es mir.«
    Wolfgang runzelte die Stirn und versuchte, einen Zusammenhang zwischen diesem Thema und dem, was er Herrn Jegelin gesagt hatte, zu erkennen, aber ohne Erfolg. »Sag mal, was ist eigentlich los? In der Schule geht es seit zwei Wochen um nichts anderes als um Klone, Klone, Klone – und jetzt fängst du auch noch davon an!«
    Vaters Augenbrauen hoben sich. »Ihr behandelt das in der Schule?«
    »Dank eines gewissen Herrn Frascuelo Aznar, bekannt aus Funk und Fernsehen.«
    »Ah.« Vater nickte verstehend. »Gut. Erklär es mir trotzdem.«
    Wolfgang seufzte ergeben und tat seinem Cellolehrer im Stillen Abbitte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, Herr Jegelin würde alles, was er erzählte, brühwarm seinem Vater petzen? Peinlich. »Also schön. Ein Klon ist das genetische Duplikat eines anderen Menschen. Es wird erzeugt, indem man den Zellkern einer befruchteten Eizelle entfernt und durch einen Zellkern ersetzt, den man aus einer beliebigen Körperzelle desjenigen Menschen entnommen hat, den man duplizieren will.«
    »Nicht einfach eine befruchtete Eizelle, sondern eine M-II-Oozyte, aber gut. So weit richtig«, nickte Vater.
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Die veränderte Eizelle wird wie bei einer normalen künstlichen Befruchtung einer Leihmutter eingepflanzt, die das entstehende Kind austrägt«, sagte Wolfgang. »Und weil jeder einzelne Zellkern die gesamte Erbinformation eines Menschen enthält, seinen Bauplan sozusagen, ist das heranwachsende Kind die genetische Kopie desjenigen, von dem der ausgetauschte Zellkern stammt. Und damit dessen Klon.« Als Vater ihn erwartungsvoll ansah, ohne etwas zu sagen, aber als warte er noch auf etwas, fuhr Wolfgang gelangweilt fort: »Na ja, und wenn man das bei Menschen macht, ist das Ganze natürlich moralisch verwerflich, weltweit geächtet, eine Missachtung der menschlichen Würde und des Willen Gottes, und so weiter, und so weiter.«
    »Es ist keineswegs weltweit geächtet. In Kuba zum Beispiel gibt es bis heute kein Gesetz, das das Klonen verbietet.«
    »Hat man uns auch schon mehrfach wissen lassen«, nickte Wolfgang. »Übrigens auch, dass die entsprechende UN-Resolution nach über zehn Jahren immer noch keine Mehrheit hat.«
    Vater nickte. »Trotz alldem hat die Erklärung von Professor Aznar die Weltöffentlichkeit aufgebracht wie schon lange nichts mehr.«
    »Aufgebracht ist gar kein Ausdruck. Unsere Lehrer sind völlig aus der Spur.«
    »Nicht nur eure Lehrer. Überall auf der Welt und natürlich besonders in Deutschland sind Journalisten hinter jedem her, von dem bekannt ist, dass er Aznar gekannt hat«, sagte Vater, reckte den Hals wie eine Schildkröte und setzte hinzu: »Wie ich zum Beispiel.«
    »Du?« Wolfgang fielen

Weitere Kostenlose Bücher