Perfect Copy - Die zweite Schöfung
gibt da wohl einen Professor Tessari, in Berlin allerdings, an der Staatsoper. Ich glaube, ich hab den Namen auch schon mal gehört. Der ist so was wie der Cello-Papst, zumindest hier in Deutschland.«
Svenja nickte verstehend. »Und den willst du fragen, ob du's draufhast mit dem Cello oder nicht.«
»Genau«, sagte Wolfgang mit mehr Entschlossenheit, als er in Wirklichkeit fühlte. »Ich weiß nur noch nicht genau, wie ich es anstelle. Ich meine, mein Vater erlaubt so was nie im Leben…«
»Also darfst du ihn nicht fragen.«
»Eben. Aber das muss ich mir alles gut überlegen. Berlin ist ja nicht grade um die Ecke. Und sicher kann man nicht einfach in die Staatsoper hineinspazieren und Professor Tessari sprechen.«
»Der könnte ja auch gerade auf Reisen sein.«
»Also muss ich vorher einen Termin ausmachen«, führte Wolfgang seine Überlegungen weiter. Seltsam, eigentlich hatte er nur ein bisschen wild entschlossen tun wollen, um in Svenjas Augen nicht womöglich als Weichei dazustehen, aber einfach indem er so tat, formte sich das, was vorher nur ein vages Wischiwaschi in seinem Kopf gewesen war, wie von selbst zu einem richtiggehenden Plan. Er musste bloß mit den Gedanken mitgehen, wie sie kamen. Wirklich bemerkenswert. »Hinfahren kann ich mit dem Zug, das kostet nicht die Welt. Aber ich muss irgendwo übernachten in Berlin. Da muss ich erst ein paar Erkundigungen einziehen. Und nachschauen, wie viel auf meinem Sparbuch drauf ist.« Nicht viel, das wusste er auch ohne nachzuschauen. Ein Plan war schön und gut, aber man brauchte auch das nötige Kleingeld dafür. Er konnte förmlich spüren, wie ihm der Mut sank.
»Bei Irena«, sagte Svenja. »Das ist eine von meinen großen Halbschwestern. Sie lebt in Berlin. Bei der kannst du unterkommen.«
Nun war die Reihe an Wolfgang, die Augen aufzureißen. »Meinst du?«
»Klar. Ich war schon oft dort. Leo – das ist ihr Mann – hat eine Computerfirma und verdient irre gut. Die beiden haben vier Kinder und ein tolles Haus, mit Gästezimmer und allem.« Sie legte die Stirn in Falten, und ihre Nase machte dabei wieder diese phantastische Kräuselbewegung. »Irena würde das auch organisieren mit dem Termin bei diesem Professor, wenn ich sie drum bitte. Von dort aus geht das sicher viel leichter. Ich könnte mitkommen, was hältst du davon? Nächstes Wochenende fangen die Pfingstferien an, das passt doch. Oder? Würde es dir was ausmachen, wenn wir zusammen nach Berlin fahren?«
»Ob es mir was ausmachen…?« Wolfgang hatte das Gefühl, zu träumen. »Das wäre toll!«
»Also, dann rufe ich sie heute Abend an und mache was aus. Am besten gleich für nächste Woche.«
Schon?, entfuhr es Wolfgang beinahe, doch irgendwie schaffte er es, das Wort gerade noch zu verschlucken und stattdessen zu versichern: »Das ist großartig. Ganz – große – Klasse. Ehrlich. Lass es uns so machen.« Mit den Schmetterlingen, die da plötzlich in seinem Bauch flatterten, konnte er sich ein andermal näher befassen.
»Der Name war Tessari, oder?«
»Tessari, genau«, nickte Wolfgang tapfer. »Staatsoper Berlin.« Da hatte er sich ja auf was eingelassen, du meine Güte!
»Tessari, Staatsoper«, sagte Svenja. »Ist gespeichert.«
Und dann geschah etwas ganz und gar Unfassbares. Nämlich: Sie ließ mit der einen Hand den Lenker ihres Fahrrads los, um Wolfgang damit am Arm zu fassen, streckte sich schnell wie der Blitz zu ihm hin…
Küsste!
Ihn!
Leicht wie eine Feder auf die Wange…
Und schwang sich im nächsten Augenblick aufs Rad und fuhr davon. »Tschüss!«, rief sie noch, und: »Bis morgen!« Dann war sie weg. Und Wolfgang stand da, betastete sein Gesicht und war plötzlich so verrückt glücklich wie noch nie im Leben.
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Wolfgang schwebte nach Hause, gerade mal so in Bodennähe gehalten von seinem schweren Cellokoffer. Zumindest kam es ihm so vor. Er hatte auch das Gefühl, ziemlich schwachsinnig vor sich hin zu grinsen, aber oh Wunder!, es machte ihm nicht das Geringste aus. Svenja hatte ihn geküsst. Svenja war jetzt seine Freundin. Das Leben war wunderbar.
So war er in keinster Weise gewappnet für das Donnerwetter, das über ihn hereinbrach, kaum dass er die Haustür hinter sich geschlossen hatte.
»Wie kommst du dazu, das Üben zu vernachlässigen?«
Es war Vater. Er stand in der Tür zu seinem Arbeitszimmer, ohne Jackett, ohne Krawatte, den Hemdkragen offen, mit verschwitztem Gesicht und unnatürlich starrem Blick.
»Wie bitte?«, fragte
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