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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Sie wollen. Es geht Sie trotzdem nichts an, wo Svenja ist.«
    »Ich warne Sie, Frau Maitland!«, zischte Dr. Wedeberg. »Wenn ich unverrichteter Dinge gehen muss, komme ich mit der Polizei wieder. Und der müssen Sie Auskunft geben.«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, erwiderte Svenjas Mutter und machte ihm die Tür vor der Nase zu.
    Dr. Wedeberg hieb den Daumen erbittert von neuem auf den Klingelknopf, doch die einzige Reaktion war das Bellen eines Hundes. Eines großen Hundes, wie es sich anhörte. Kurz darauf war zu hören, wie eben dieser Hund auf der anderen Seite des Hauses in den Garten hinausgelassen wurde. Dr. Wedeberg machte, dass er davon und in sein Auto kam. Wieder bekam das Lenkrad seinen ganzen Ärger ab.
    An einer der nächsten Ampeln hielt ein Moped neben ihm. Ein junger Mann in schwarzer Lederkluft, die an einem Mopedfahrer etwas albern aussah, beugte sich zum Fenster herab. »Ich habe mitgekriegt, dass Sie Ihren Sohn Wolfgang suchen.«
    »Ach ja?«, versetzte Dr. Wedeberg unwirsch. »Weißt du etwa, wo er steckt?«
    Der Junge lächelte finster. »Ganz genau sogar.«
    #
     
    Gernot Jegelin musste den Telefonhörer ein Stück von seinem Ohr weghalten, so laut dröhnte Dr. Wedebergs Stimme. »Wolfgang ist in Berlin. Wir sind auf dem Weg zum Flughafen«, schrie es aus der Muschel, »unsere Maschine geht in einer Stunde. Verstehen Sie mich?«
     
    »Ja, ich höre Sie bestens.« Im Hintergrund röhrte und krachte es, als führe der Weg zum Flughafen durch eine Kesselfabrik.
    »Sie haben doch oft mit ihm gesprochen, Herr Jegelin. Hat er Ihnen vielleicht gesagt, was er vorhat?«
    »Nein«, schrie der Musiklehrer zurück und kam sich dabei äußerst unkultiviert vor.
    »Auch keine Andeutungen? Irgendwas?«
    »Nichts.« Doch, etwas fiel ihm ein. »Es sei denn…«
    »Was? So reden Sie, Mann!«
    »Er hat mich neulich gefragt, wer so eine Art oberste Instanz ist, was das Cellospiel angeht. Der Cello-Papst, sozusagen.« Gernot Jegelin zuckte zusammen, als ein fürchterliches Krachen aus dem Hörer sein Trommelfell malträtierte.
    »Herr Wedeberg?«
    Keine Antwort. Das eben hatte sich so angehört, als sei Dr. Wedeberg das Handy vor Schreck aus der Hand gefallen.
    Pünktlich zur vereinbarten Zeit wurden sie in der Staatsoper vorstellig, Wolfgang in seinem besten Hemd, das Irena ihm eigens noch einmal aufgebügelt hatte, und Svenja in einem Kleid, in dem sie ungewohnt aussah und sich ungewohnt fühlte. Der Cellokoffer schien größer und schwerer zu sein als sonst, als sie in den hallenden Gängen des altehrwürdigen Gebäudes, in denen sich auch Riesen nicht die Köpfe angehauen hätten, nach dem Sekretariat suchten.
    Die Sekretärin war rundlich, elegant gekleidet und freundlich, fand ihren Namen gleich auf ihrer Liste und führte sie schnellen Schrittes in einen ringsum mit dunklem Holz getäfelten Saal, in dem problemlos ein Orchester hätte proben können, so groß war er. Jetzt standen nur drei Stühle und ein Notenständer mitten darin, sonst nichts. »Bitte warten Sie hier«, sagte die Frau. »Der Herr Professor kommt gleich.«
    Also warteten sie. Wolfgang packte sein Cello aus, stellte den Stachel ein, kollophonierte den Bogen zum wohl zehnten Mal heute, setzte sich zurecht und fuhr probeweise über die Saiten. Es klang beeindruckend in diesem Raum. Behutsam korrigierte er die Stimmung, bis das Instrument nach menschlichem Ermessen perfekt gestimmt war.
    Endlich öffnete sich eine andere Tür, und ein alter Mann, der gebückt und auf einen Stock gestützt ging, betrat den Saal. Reste weißen Haars umflorten seinen kahlen, breiten Schädel. Seine Augen schimmerten feucht. Er lächelte im Näherkommen. Er wirkte gebrechlich, wie er über das Parkett auf sie zuhielt, doch zugleich innerlich unbeugsam. Etwas wie eine große Wolke warmen Wohlwollens ging von ihm aus.
    Doch dann, als er auf wenige Schritte heran war, stutzte er plötzlich, sah Wolfgang entgeistert an. »Johannes?«, rief er aus. »Johannes, du? Wie ist das möglich?«
    »Wolfgang«, berichtigte Wolfgang behutsam.
    Professor Tessari blinzelte, schien aus einer Art Traum zu erwachen. »Ach ja, natürlich«, nickte er verstehend. »Es kann ja nicht sein. Unmöglich. Aber du siehst deinem Bruder so ähnlich, dass ich für einen Moment vergessen habe, welches Jahr wir schreiben. Und dass er tot ist.« Er lächelte gütig. »Wolfgang also?«
    »Ja«, nickte Wolfgang. Es schien etwas dran zu sein an dem Klischee, dass Professoren immer

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