Perfect Copy - Die zweite Schöfung
darum, dass ich meinen Sohn finden will, und dazu benötige ich den Namen dieses Mädchens.«
»Da reden wir von personenbezogenen Daten. Gerade Sie als Arzt sollten einsehen, dass ich damit nicht nach Belieben verfahren kann.«
»Sicher, aber in diesem Fall…«
»Ich möchte Ihnen einen anderen Vorschlag machen«, unterbrach die Rektorin ihn mit jener stählernen Stimme, die alle Schüler des Schirntaler Gymnasiums nur zu gut kannten: Was so begann, war nicht wirklich ein Vorschlag, sondern das letzte Wort.
»Ich höre«, sagte Dr. Wedeberg mit mühsam gewahrter Fassung.
»Wolfgang wird zweifellos wieder auftauchen. Das ist nicht der erste derartige Fall, den ich erlebe. Und wenn er wieder zu Hause ist, dann schlage ich vor, dass Sie beide hierher zu mir kommen zu einer offenen Aussprache über alle Probleme, die Sie miteinander haben.«
Um das Kinn ihres Besuchers zuckte es verräterisch.
»Vielen Dank«, sagte er knapp. »Aber wir haben keine Probleme.«
»Oh doch, die haben Sie ohne Zweifel.« Frau Horn faltete wieder ihre Hände, der Tonfall ihrer Stimme wurde weicher. »Versetzen Sie sich einmal in Wolfgangs Lage, Herr Wedeberg. Erst diese Geschichte mit der Zeitung, das Fernsehen fällt über ihn her… Er ist fünfzehn, bald sechzehn, frisch verliebt – und Sie erteilen ihm Hausarrest, nur weil er anderes im Kopf hat als Cello zu spielen. Mal ehrlich, Herr Wedeberg – was hätten Sie denn an seiner Stelle getan? Können Sie nicht nachvollziehen, dass er einfach mal ausbüxen musste?«
»Von einer Rektorin hätte ich erwartet, dass sie vor allem die Sorgen nachvollziehen kann, die wir Eltern uns machen.« Dr. Wedebergs Stimme war wie Eis, seine Gesichtszüge hart wie gemeißelt.
»Ich bin überzeugt, dass zu Sorge kein Anlass besteht«, sagte Frau Horn unnachgiebig.
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»Endlich mal ein netter Junge«, lobte Irena ihre kleine Halbschwester, als Wolfgang gerade nicht in der Nähe war. »Nicht so ein Kotzbrocken wie dieser Marco, den du letztes Jahr angeschleift hast.«
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Das Lenkrad seines Wagens bekam auf der Rückfahrt eine ganze Menge Schläge und Flüche ab, obwohl es unschuldig war. Mittendrin klingelte das Telefon. Er hielt an und beäugte erst misstrauisch das Display, ehe er sich meldete, weil er jetzt keine Anrufe aus der Klinik gebrauchen konnte. Aber es war Dr. Lamprecht.
»Ich habe mit einem der Elternbeiräte gesprochen«, sagte der Rechtsanwalt mürrisch. »Das Mädchen heißt Svenja Maitland. Ich habe auch die Adresse, falls du die brauchst.«
»Einen Moment.« Dr. Wedeberg angelte nach einem Rezeptblock und einem Kugelschreiber. »Die Rektorin wollte mir nämlich nichts sagen. Angeblich aus Datenschutzgründen. Wie hast du das aus ihm herausbekommen?«
Am anderen Ende der Verbindung war ein verächtliches Schnauben zu hören. »Wie Rechtsanwälte so etwas eben machen. Ich habe damit gedroht, ihn zu verklagen.«
»Maitland, hast du gesagt?« Er kritzelte den Namen hin. »Und du bist sicher, dass das stimmt?«
Der Anwalt diktierte ihm die Adresse und meinte: »Es ist die einzige Svenja an der ganzen Schule. Wenn es die nicht ist, hat dein Sohn dich belogen.«
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Die Adresse bezeichnete ein verwittertes, niedriges Haus am entgegengesetzten Ende von Schirntal, umgeben von einem wild wuchernden Garten voller Spielzeug und dicht an der Ausfallstraße neben dem Industriegebiet gelegen. Er hielt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, stieg aus, überprüfte den Namen, der auf dem Briefkasten stand, öffnete das Gartentürchen und ging zur Haustür, um zu klingeln.
Eine Frau mit halblangem blondem Haar machte auf. Sie hatte eine Küchenschürze umgebunden und trug ein Trockentuch über der Schulter. »Ja?«
»Guten Tag«, sagte er. »Mein Name ist Wedeberg. Doktor Richard Wedeberg. Ich leite die Kurklinik.«
»Und?« Sie schien nicht sehr beeindruckt.
»Mein Sohn ist, glaube ich, mit Ihrer Tochter befreundet. Sie haben doch eine Tochter namens Svenja, nicht wahr?«
»Als ich das letzte Mal nachgezählt habe, war's noch so.«
»Ich würde sie gern sprechen.«
Svenjas Mutter nahm das Trockentuch von der Schulter und fing an, sich die Hände abzutrocknen. »Sie ist nicht da.«
»Wo ist sie?«
Sie musterte ihn abweisend. »Das geht Sie nichts an, würde ich sagen.«
»Ich denke, dass mich das sehr wohl etwas angeht. Mein Sohn ist verschwunden, und ich habe Grund zu der Annahme, dass er mit ihrer Tochter zusammen ist.«
»Sie können annehmen, was
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