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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Nein. Umgekehrt. Meine Eltern haben sich's mit mir verschissen. Mir einen Bruder zu verschweigen! Das ist doch echt der Abschuss.«
     
    Wie eine Flutwelle überrollten ihn Erinnerungen, die er längst vergessen geglaubt hatte. Wie oft hatte er das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte? Als kleines Kind war er überzeugt gewesen, dass noch jemand im Haus wohnte, der unsichtbar war und der ihn fressen würde, wenn er nach ihm suchte oder fragte. Und dieser Traum, der ihn lange Jahre verfolgt hatte und in dem sich immer herausstellte, dass seine Sachen ihm alle nicht gehörten und er sie hergeben musste an jemand, der kein Gesicht besaß.
    Im tiefsten Inneren hatte er es wohl die ganze Zeit geahnt.
    Sie fuhren in einem Kleinbus mit drei Sitzreihen. Wolfgang und Svenja saßen hinten, seine Eltern vor ihnen, begleitet von jeweils einem Polizisten, und entsprechend schweigsam verlief die lange Fahrt durch den Berliner Berufsverkehr. Kommissar Nolting saß vorn neben dem Fahrer, hatte ein tragbares Internetterminal auf dem Schoß und bearbeitete irgendwelche E-Mails oder Akten.
    Wolfgang musterte seine Mutter von der Seite. Sie sah starr geradeaus, bleich wie ein Laken. Man hatte das Gefühl, dass sie kaum atmete.
    Es ging langsam voran, von einem Stau in den nächsten, vorbei an Baustellen und kurz angebundenen Ampeln. Insassen eines Busses schauten neugierig zu ihnen herein; zwei Frauen schienen Wolfgang zu erkennen, zumindestens deuteten sie in seine Richtung und debattierten heftig. Er drehte sich weg und vertiefte sich in die Betrachtung einer altehrwürdigen Häuserfassade.
    »Wofür haben Sie eigentlich Ihr Blaulicht auf dem Dach?«, fragte Vater irgendwann bissig.
    »Für Notfälle«, entgegnete Kommissar Nolting, ohne aufzusehen.
    Sie fuhren in die anbrechende Dämmerung. Als sie auf dem Gelände des Instituts für Biotechnologie ankamen, gingen dort eben die Laternen auf den Parkplätzen und entlang der Wege zwischen den Gebäuden an; die Straßenbeleuchtung brannte schon längst.
    »Hier hat sich ja überhaupt nichts getan«, stellte Wolfgangs Vater plötzlich fest und spähte aus dem Fenster, musterte die Szenerie. »Das sieht alles noch aus wie vor zwanzig Jahren.« Er schien für einen Moment zu vergessen, weswegen sie hier waren, sah sich stattdessen höchst interessiert um und meinte kopfschüttelnd: »Schau dir das an, Julia. Alles wie damals, die reinste Zeitreise. Sogar die Graffiti am Fahrradkeller sind noch da, bloß ein bisschen von Efeu überwuchert.« Er drehte sich, es war kaum zu fassen, zu Wolfgang um, zeigte auf einen flachen Anbau neben dem hohen, in filigrane Metallstrukturen gehüllten Hauptgebäude und erklärte, als sei dies alles nur ein lustiger Familienausflug: »Dort sind die Tiergehege. Alles von der Labormaus bis zum Menschenaffen, der reinste Zoo. Und siehst du dort oben, diese beiden Fenster, in denen Licht brennt, im vierten Stock? Das links daneben war damals mein Büro. Oder…?« Er zählte die dunklen Fenster nach und nickte bekräftigend. »Ja, stimmt. Ein enges Loch, das ich mir auch noch mit jemandem teilen musste. Eine Legebatterie für wissenschaftliche Erkenntnisse, haben wir immer gesagt. Und der Anbau auf der anderen Seite, siehst du den? Mit dem Übergang im zweiten Stock? Dort sind die Kältekammern, wo alles aufbewahrt wird, Samenzellen, Eizellen, Gewebeproben, überzählige Embryos, einfach alles.« Hinter dem flachen, fensterlosen Bau führte eine schmale Zulieferstraße bis zu einer Laderampe, an der gerade ein Lieferwagen stand und zwei Männer in Overalls einen silbrig schimmernden Behälter ausluden, um den herum eine Art Nebel wallte, der im Schein der Laternen gelblich leuchtete. »Flüssiger Stickstoff«, erklärte Vater. »Minus 210 Grad Celsius. Davon wird hier jede Menge gebraucht.«
    Wolfgang war unbehaglich zu Mute ob der unvermittelten Redseligkeit seines Vaters. Er sah flüchtig in die angegebenen Richtungen, aber im Grunde interessierte es ihn nicht die Bohne, was auf diesem Gelände wo stattfand und ob sich in den letzten zwanzig Jahren daran etwas geändert hatte. Er behielt stattdessen seinen Vater im Auge, beobachtete ihn verstohlen und fand es seltsam, wie fasziniert dieser von der Anlieferung des flüssigen Stickstoffs schien.
    Der Wagen hielt nach einigem Gekurve über den schon weitgehend geleerten Parkplatz vor dem Hauptgebäude an, wo sie zwei weitere Polizeiautos erwarteten. Beim Aussteigen wurde klar, dass die Tiergehege sich in der

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