Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Denishawn-Stils nichts mehr zu tun hatte. Sie brauchte ein ganz eigenes Vokabular. Die Schönheit dieses noch nicht erfundenen Tanzes ließ sie nicht mehr los. Dies war ihre einzige Chance. Mit jedem Jahr würde sie konservativer werden und sich mehr nach Bequemlichkeit sehnen. Um etwas völlig Neues zu erschaffen, musste sie ihre eigene Tanzschule und -truppe gründen und ihre eigene Technik und Disziplin entwickeln. Um zu überleben, musste sie die neuen Tanzbewegungen unterrichten, die sie gleichzeitig erfand. Es bedeutete ein enormes Risiko, und die Sorge um Geld war ihr konstanter Begleiter, aber der verzweifelte Wunsch, ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen, gab ihr genug Energie, um alle Hürden zu überwinden.
Wenige Wochen nach Ted Shawns Ultimatum leitete sie die ersten Schritte ein. Sie mietete ein Studio, und um ihren Schülern deutlich zu machen, dass sie eine völlig neue Art des Tanzens lernen würden, verhängte sie die Wände mit Sackleinen. In ihrem Tanzstudio gab es im Gegensatz zu den meisten anderen keine Spiegel. Die Tänzer mussten sich auf das konzentrieren, was sie ihnen zeigte, und lernen, sich selbst zu korrigieren aufgrund der Bewegungen, die sie in ihren Körpern spürten, statt sich auf ihre Spiegelbilder zu fixieren. Grahams neue Tanzform richtete sich ausschließlich nach außen an das Publikum, nicht an das Selbstgefühl der Tänzer.
Es schien zunächst ein aussichtsloses Unternehmen. Sie hatte gerade genug Schüler, um die Miete aufzubringen. Ihre Schüler mussten oft warten, während sie eine neue Bewegung oder Übung erfand, die sie dann gemeinsam einübten und präzisierten. Sie absolvierten ihre ersten, etwas unbeholfenen Auftritte, die Graham neue Schüler brachten, genug, um über die Gründung einer kleinen Tanztruppe nachzudenken. Sie verlangte absolute Disziplin von ihrer Gruppe. Sie erschuf mit ihren Schülern eine neue Sprache, und das bedeutete harte Arbeit. Wochenlang entwickelte sie neue Übungen, mit deren Hilfe die Tänzer mehr Kontrolle lernten, sowie eine völlig neue Mechanik der Bewegung. Sie arbeitete mit ihren Schülern ein ganzes Jahr lang an einer einfachen neuen Technik, bis sie schließlich perfekt war und ihnen in Fleisch und Blut übergegangen war.
Sie stellte den Rumpf des Körpers in den Mittelpunkt ihrer Methode, um sie von anderen Tanzformen abzugrenzen. Sie bezeichnete den Rumpf und speziell das Becken als »Zentrum aller Bewegung«. Die besondere Ausdrucksstärke des menschlichen Körpers entstand ihrer Meinung nach aus Kontraktionen des Zwerchfells und schroffen Bewegungen des Rumpfes. Diese standen im Mittelpunkt, nicht Gesicht und Arme, die den Tanz zu romantisch machten. Sie entwickelte zahllose Übungen für den Muskelaufbau in diesem Teil des Körpers, und sie ermutigte Tänzer, die Tiefe der Emotionen zu spüren, die aus der Benutzung dieser Muskeln entstanden.
In dieser frühen Phase trieb sie vor allem der Wunsch an, etwas zu erschaffen, das man noch nie auf einer Bühne gesehen hatte. Im westlichen Tanz war ein Sturz tabu für einen Tänzer – er galt als Fehler und Kontrollverlust. Man musste dem Boden widerstehen und durfte sich ihm nie hingeben. Sie kehrte diese Regel um und kreierte eine neue Sequenz kontrollierter Stürze, bei denen der Tänzer mit dem Boden verschmolz und sich ganz langsam wieder daraus erhob. Dazu mussten völlig neue Muskeln aufgebaut werden. Sie baute dieses Konzept weiter aus und nutzte schließlich den Boden als Tanzraum, auf dem sich die Tänzer schlangengleich bewegten. In ihrem neuen System bekam das Knie plötzlich eine völlig neue und ausdrucksstarke Rolle zugewiesen: Die Tänzer balancierten und bewegten sich darauf in scheinbarer Schwerelosigkeit.
Ganz langsam erweckte sie mit ihrer Arbeit den neuen Tanzstil zum Leben, von dem sie geträumt hatte. Um seine Neuartigkeit hervorzuheben, entwarf und nähte Graham eigene Kostüme. Sie bestanden meist aus Stretch-Material, verliehen den Tänzern fast abstrakte Formen und betonten die Schroffheit der Bewegungen. Ihre Bühnenausstattung war minimalistisch und schlicht, im Gegensatz zur Märchenwelt des klassischen Balletts. Die Tänzer waren kaum geschminkt. Alles war darauf ausgerichtet, sie von der Bühne abzuheben und ihre Bewegungen zur Explosion zu bringen.
Das Publikum war elektrisiert von ihren frühen Aufführungen. Nie zuvor hatten die Menschen etwas gesehen, das diesem Tanz auch nur ähnelte. Viele waren empört und lehnten Grahams Tanzstil
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