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Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Greene
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in »Phase« und »Frage«. Mit zunehmendem Lautvokabular machte er sich daran, die Namen in allen Pharaonenkartuschen zu entziffern, die er fand, und er baute sich so einen alphabetischen Informationsschatz auf.
    Im September 1822 ergab sich völlig überraschend die Lösung des ganzen Rätsels an nur einem einzigen Tag. In einem abgelegenen Teil Ägyptens war ein Tempel entdeckt worden, dessen Wände und Statuen mit Hieroglyphen bedeckt waren. Präzise Zeichnungen der Hieroglyphen fielen Champollion in die Hände, und ihm fiel auf den ersten Blicke etwas Sonderbares auf: Keine dieser Kartuschen entsprach den Namen, die er bereits identifiziert hatte. Er wendete sein phonetisches Alphabet auf eine Kartusche an, erkannte aber nur den Buchstaben S am Ende. Das erste Symbol erinnerte ihn an eine Abbildung der Sonne. Im Koptischen, das mit dem Altägyptischen entfernt verwandt ist, lautete das Wort für Sonne Re. In der Mitte der Kartusche befand sich ein dreizackiges Symbol, das ihn stark an den Buchstaben »M« erinnerte. Champollion erkannte aufgeregt, dass es der Name »Ramses« sein musste. Ramses war ein Pharao, der im 13. Jahrhundert v. Chr. lebte, und dies bedeutete, dass die Ägypter schon lange vorher ein phonetisches Alphabet gehabt haben mussten – eine welterschütternde Entdeckung. Aber Champollion brauchte mehr Beweise, um sicher zu gehen.
    Eine weitere Kartusche in den Tempelzeichnungen enthielt dasselbe M-förmige Symbol. Das erste Symbol in dieser Kartusche war ein Ibis. Champollion wusste aus der ägyptischen Geschichte, dass der Vogel das Symbol des Gottes Thoth war. Damit enthielt diese Kartusche den Namen eines weiteren Pharaos: Thot-mu-sis oder Thuthmose. In einem anderen Teil des Tempels fand Champollion ein Hieroglyphen-Wort, das nur aus den Buchstaben für M und S bestand. Er dachte an das Koptische und übersetzte das Wort als mis, was »gebären« bedeutet. Tatsächlich fand er im griechischen Text auf dem Rosettastein eine Phrase, in der es um einen Geburtstag ging, und er identifizierte die entsprechende Stelle im Hieroglyphen-Text.
    Völlig überwältigt von dieser Entdeckung rannte Champollion durch die Straßen von Paris auf der Suche nach seinem Bruder. Als er den Raum betrat, schrie er: »Ich habe es geschafft!«, und sank ohnmächtig zu Boden. Fast 20 Jahre lang hatte Champollion wie ein Besessener gearbeitet, er hatte zahllose Probleme und Armut und Rückschläge überwunden. Und jetzt hatte er innerhalb weniger Monate intensiver Arbeit endlich das Geheimnis der Hieroglyphen entschlüsselt.
    Nach dieser Entdeckung übersetzte er ein weiteres Wort nach dem anderen, bis er das Prinzip hinter den Hieroglyphen wirklich verstand. Gleichzeitig revolutionierte er unser Wissen und unsere Vorstellungen über das Ägypten der Antike. Seine ersten Übersetzungen bewiesen seine Vermutung, dass die Hieroglyphen alle drei Schriftformen in einem ausgeklügelten System kombinierten, und ein Alphabet beinhalteten, lange vor der Zeit, auf die man die Erfindung des Alphabets bisher datiert hatte. Dies war keine rückständige Kultur, in der Priester über ein Sklavenheer herrschten und ihre Geheimnisse durch geheimnisvolle Symbole schützten, sondern eine lebendige Gesellschaft mit einer komplizierten und herrlichen Schriftsprache, die dem Altgriechischen in nichts nachstand.
    Als sich die Nachricht von Champollions Entdeckung verbreitete, wurde er augenblicklich ein Nationalheld in Frankreich. Aber Dr. Young, sein größter Rivale, ertrug seine Niederlage nicht. In den folgenden Jahren beschuldigte er Champollion des Betrugs oder Plagiats. Er konnte nicht glauben, dass jemand aus derart ärmlichen Verhältnissen ein solches intellektuelles Meisterstück vollbringen konnte.

    Die Geschichte von Champollion versus Dr. Young enthält eine wichtige Lektion über den Lernprozess und illustriert zwei klassische Herangehensweisen an ein Problem. Young begann seine Arbeit am Hieroglyphenrätsel aus dem Ehrgeiz heraus, es als Erster zu lösen und dadurch berühmt zu werden. Um schneller zum Ziel zu gelangen, reduzierte er das altägyptische Schriftsystem auf eine simple mathematische Formel und ging davon aus, dass die Zeichen Ideogramme darstellten. So würde die Entzifferung zur reinen Rechenaufgabe. Doch damit hatte er die extreme Komplexität und Vielschichtigkeit des Schriftsystems unterschätzt.
    Champollion war sein genaues Gegenteil. Seine Motivation waren ein echter Wissenshunger nach den Ursprüngen

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