Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
jemand in das Rätsel vordrang, umso mehr Fragen tauchten auf über das Schriftsystem, zu dem die Zeichen gehörten.
Im Jahr 1814 betrat ein neuer Akteur die Bühne: der Engländer Dr. Thomas Young. Bald glaubten viele, er werde als Erster den Rosettastein entziffern. Er war zwar Arzt, hatte sich aber mit allen Wissenschaften beschäftigt und galt als Genie. Er hatte den Segen des englischen Establishments und bekam unbegrenzten Zugang zu allen Papyri und Relikten, welche die Engländer konfisziert hatten, auch dem Stein selbst. Außerdem war er selbst wohlhabend und konnte seine ganze Zeit auf die Forschungen verwenden. Young machte sich mit Feuereifer an die Arbeit und kam gut voran.
Er ging das Problem mathematisch an. Er zählte, wie oft ein bestimmtes Wort, etwa »Gott«, im griechischen Text auftauchte, und suchte dann im demotischen Text nach einem Wort, das genauso oft auftauchte, in der Annahme, dass es sich um dasselbe Wort handeln musste. Er gab sich alle Mühe, um die Buchstaben des Demotischen in sein Schema einzupassen. Wenn das entsprechende Wort für »Gott« zu lang war, erklärte er bestimmte Buchstaben einfach für bedeutungslos. Er ging davon aus, dass die drei Texte in derselben Reihenfolge geschrieben waren, und dass er die Worte nach ihrem Vorkommen im Text einander zuordnen konnte. Manchmal riet er richtig, aber meistens kam er so nicht weiter. Er machte einige wichtige Entdeckungen, etwa dass das Demotische und die Hieroglyphen miteinander verwandt waren und das eine die handgeschriebene Variation des anderen war. Und er stellte fest, dass das Demotische für fremde Namen ein phonetisches Alphabet benutzte, aber überwiegend Piktogramme verwendete. Aber immer wieder geriet er in Sackgassen, und er kam nicht einmal dazu, sich an den Hieroglyphen auch nur zu versuchen. Nach einigen Jahren gab er schließlich auf.
In der Zwischenzeit hatte ein junger Mann die Szene betreten, dem kaum jemand zutraute, das Rennen zu machen: Jean-Francois Champollion (1790–1832). Er stammte aus einer Kleinstadt bei Grenoble. Seine Familie war relativ arm, und bis zum Alter von sieben Jahren hatte Champollion keine formelle Schulbildung erhalten. Aber er besaß einen Vorteil gegenüber allen anderen: Er interessierte sich seit frühester Kindheit für die Geschichte der Antike. Er wollte die Ursprünge der Menschheit erforschen. Er lernte daher alte Sprachen – neben Griechisch, Latein und Hebräisch auch diverse semitische Sprachen – und beherrschte sie erstaunlich schnell bereits mit zwölf Jahren.
Sein besonderes Interesse galt dem alten Ägypten. Im Jahr 1802 erfuhr er von dem Rosettastein und sagte zu seinem älteren Bruder, er werde derjenige sein, der ihn entziffert. Bereits zu Beginn seiner Beschäftigung mit den alten Ägyptern identifizierte er sich leidenschaftlich mit allen Bereichen dieser Kultur. Als Kind besaß er ein hervorragendes visuelles Gedächtnis. Er zeichnete außergewöhnlich gut. Er sah die Schrift in einem Buch (auch in einem französischen) als Zeichnungen und nicht als Buchstaben. Die Hieroglyphen schienen ihm vom ersten Anblick an fastvertraut, und er beschäftigte sich bald mit fanatischer Besessenheit mit ihnen.
Er beschloss, die koptische Sprache zu lernen, um besser voranzukommen. Nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer im Jahr 30 v. Chr. starb die alte Sprache, Demotisch, langsam aus und wurde durch das Koptische ersetzt, einer Mischung aus Griechisch und Ägyptisch. Als die Araber Ägypten eroberten und zum Islam bekehrten, wurde Arabisch offizielle Landessprache. Nur die Christen im Land behielten das Koptische bei. Zu Lebzeiten Champollions sprachen nur noch wenige Christen Koptisch, vor allem Mönche und Priester. Im Jahr 1805 kam ein solcher Mönch in Champollions Heimatstadt, und er freundete sich schnell mit ihm an. Der Mönch lehrte ihn die Grundlagen der koptischen Sprache, und als er wenige Monate später wieder in die Stadt kam, brachte er Champollion ein Grammatikbuch mit. Der Junge lernte die Sprache Tag und Nacht mit einer Leidenschaft, die viele für Wahnsinn hielten. Er schrieb an seinen Bruder: »Ich mache nichts anderes. Ich träume in Koptisch … Ich bin so koptisch, dass ich zum Spaß all meine Gedanken ins Koptische übersetze.« Während seiner späteren Schulzeit in Paris traf er mehr Mönche und er übte so lange, bis man ihm sagte, er spräche die tote Sprache wie ein Muttersprachler.
Champollion hatte Zugang zu einer schlechten
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