Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
beschwichtigte seinen Vater, so gut er konnte. An einem Tag erzählte er ihm, er wolle Jura studieren; am nächsten sprach er davon, eine Stelle als Bibliothekar annehmen zu wollen. Doch Marcel setzte seine ganzen Hoffnungen auf sein erstes Buch Freuden und Tage. Es bestand aus verschiedenen Erzählungen und Skizzen der Gesellschaft, die er infiltriert hatte. Wie Thierry es mit der normannischen Eroberung getan hatte, so wollte Marcel diese Welt zum Leben erwecken. Der Erfolg des Buches würde seinen Vater und alle anderen Zweifler überzeugen. Die wunderschönen Zeichnungen einer befreundeten Dame der Gesellschaft garantierten den Erfolg des Buches und machten es zu mehr als nur einem Buch. Außerdem würde es auf dem besten Papier gedruckt werden.
Nach einigen Verzögerungen erschien das Buch schließlich im Jahr 1896. Es wurde mehrfach positiv besprochen, doch die Kritiker beschrieben Marcels Schreibstil als exquisit und delikat und deuteten damit an, es sei oberflächlich. Schlimmer war jedoch, dass kaum jemand das Buch kaufte. Durch die hohen Druckkosten geriet das Buch zu einem finanziellen Fiasko und Marcel Prousts Image war zementiert: Er war ein eleganter Dandy, ein Snob, der über die einzige Welt schrieb, die er kannte, ein junger Mann ohne Sinn für das Praktische, ein Salonlöwe, der sich an der Literatur versuchte. Das Buch war ein peinlicher Misserfolg, der Marcel entmutigte.
Der Druck der Familie, er solle endlich einen Beruf ergreifen, stieg jetzt. Marcel glaubte immer noch an seine Fähigkeiten, und daher war die einzig mögliche Antwort für ihn, noch einen Roman zu schreiben. Das neue Buch sollte das genaue Gegenteil von Freuden und Tage werden und umfangreicher sein als das erste. Er wollte darin eigene Kindheitserinnerungen mit aktuellen Erfahrungen in der Gesellschaft mischen. Im Buch sollten alle gesellschaftlichen Schichten vorkommen, und er wollte eine ganze Epoche der französischen Geschichte beschreiben. Niemand würde ein solches Buch für oberflächlich halten! Der Roman wurde immer länger, aber Marcel brachte keine logische Struktur hinein, und es ähnelte nicht einmal einer zusammenhängenden Geschichte. Schließlich musste er einsehen, dass sein Vorhaben zu ehrgeizig gewesen war, und er gab es Ende des Jahres 1899 schließlich auf, nachdem er mehrere Hundert Seiten geschrieben hatte.
Er versank in Verzweiflung und Depression. Die Salons und die Gesellschaft der Reichen langweilten ihn. Er hatte keinen Beruf, keine Stellung, auf die er zurückgreifen konnte. Mit fast dreißig Jahren lebte er immer noch zu Hause und war finanziell von seinen Eltern abhängig. Er machte sich ständig Sorgen um seine Gesundheit und er war davon überzeugt, dass er in wenigen Jahren sterben würde. Er sah, wie seine Schulfreunde führende Mitglieder der Gesellschaft wurden und eigene Familien gründeten. Im Vergleich mit ihnen war er ein Versager. Alles, was er vorzuweisen hatte, waren ein paar wenige Artikel in Zeitungen über die gehobene Gesellschaft und ein Buch, das ihn zum Gespött in ganz Paris gemacht hatte. Nur auf die bedingungslose Liebe seiner Mutter konnte er sich verlassen.
In tiefster Verzweiflung hatte er eine Idee. Er verschlang seit einigen Jahren die Schriften des englischen Kunstkritikers und Denkers John Ruskin. Nun wollte er Englisch lernen und Ruskins Werk ins Französische übersetzen. Dazu musste er wissenschaftliche Recherchen zu den verschiedenen Themen anstellen, auf die Ruskin sich spezialisiert hatte, etwa die gotische Architektur. Er würde einen Großteil seiner Zeit darauf verwenden müssen, und an einen neuen Roman war dann auch erst einmal nicht mehr zu denken. Aber er würde seinen Eltern damit zeigen, dass er seinen Lebensunterhalt ernsthaft selbst verdienen wollte und dass er sich für eine Laufbahn entschieden hatte. Er klammerte sich an diese letzte Hoffnung und stürzte sich mit aller Kraft in diese Aufgabe.
Nach einigen Jahren intensiver Arbeit erschienen Marcels Ruskin-Übersetzungen und stießen auf viel Beifall. Die Einleitungen und Essays, die er den Übersetzungen beifügte, zerstörten endgültig seinen Ruf als müßiger Dilettant, der ihn seit Freuden und Tage verfolgt hatte. Er galt nun als ernstzunehmender Gelehrter. Bei dieser Arbeit hatte er seinen eigenen Schreibstil verfeinert. Nachdem er die Werke Ruskins verinnerlicht hatte, konnte er nun eigene tiefgründige und präzise Aufsätze schreiben. Er hatte endlich genug Disziplin gelernt, um darauf
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