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Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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ich herausgefunden habe?«
    »Nein.«
    »Bitte laß mich dir erklären, was ich denke.«
    Das Mädchen seufzte, verzog den Mund dann aber zu einem spitzbübischen Grinsen und meinte: »Sie werden es ja doch tun, ganz gleich, ob ich es hören will oder nicht.«
    »Du hast recht«, stimmte Dr. Wilmer zu und unterdrückte ein Lächeln. Die scharfsinnige Bemerkung des Kindes gefiel ihr. Sie hatte sich entschieden, mit Julie auf eine direkte, unverblümte Art zu sprechen, die ganz im Gegensatz zu ihren üblichen Behandlungsmethoden stand. Denn Julie besaß eine ausgeprägte Intuition und hatte in ihrem kurzen Leben schon zu viel erlebt, um sich mit süßlichen Phrasen und Halbwahrheiten abspeisen zu lassen. »Bitte setz dich«, sagte die Ärztin, und nachdem Julie sich in den Sessel vor ihrem Schreibtisch hatte fallen lassen, begann Dr. Wilmer mit ruhiger Entschiedenheit zu sprechen. »Ich habe herausgefunden, daß du trotz deiner waghalsigen Taten und deines selbstsicheren Auftretens eine ganz furchtbare Angst hast. Du weißt nicht, wer du bist oder was du bist oder was aus dir werden wird. Du kannst weder lesen noch schreiben, und deshalb glaubst du, daß du dumm bist. Du schwänzt die Schule, weil du mit Gleichaltrigen nicht Schritt halten kannst, und es verletzt dich ganz schrecklich, wenn dich die Kinder deiner Klasse deshalb auslachen. Du hast das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, und du verabscheust dieses Gefühl.
    Du weißt außerdem, daß du als kleines Kind bei der Adoption übergangen wurdest, und du weißt, daß deine Mutter dich ausgesetzt hat. Schon vor langer Zeit bist du deshalb zu dem Schluß gekommen, daß weder deine Mutter noch deine Adoptiveltern dich behalten wollen, weil sie alle bereits damals schon wußten, daß aus dir nie etwas Ordentliches werden würde, daß du weder gescheit genug noch hübsch genug wärst. Deshalb schneidest du dein Haar so kurz wie ein Junge, deshalb weigerst du dich, Mädchenkleider anzuziehen, und deshalb klaust du - aber das alles macht dich auch nicht glücklicher. Nichts, was du tust, scheint irgend jemanden zu interessieren, und genau das ist das Problem: Ganz gleich, was du machst - ausgenommen du gerätst mit dem Gesetz in Konflikt -, es interessiert keinen Menschen. Und das haßt du, weil du nämlich möchtest, daß man sich für dich interessiert.«
    Dr. Wilmer machte eine Pause, um den letzten Teil des Gesagten nachwirken zu lassen, dann wurde sie noch direkter. »Du willst, daß sich jemand für dich interessiert, Julie. Wenn du nur einen einzigen Wunsch frei hättest, dann würdest du dir das wünschen.«
    Julie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, denn Dr. Wilmers verbale Pfeile trafen genau ins Schwarze, und sie blinzelte, um das salzige Naß zurückzuhalten.
    Ihre feuchten Augen blieben nicht ohne Wirkung auf Terry Wilmer. Die Ärztin fühlte sich durch diese Tränen in ihrer These bestätigt und fuhr, wesentlich sanfter, fort: »Du haßt Hoffnungen und Träume, aber du kannst nicht ohne sie leben, und deshalb erfindest du wunderschöne Geschichten und erzählst sie den kleineren Kindern im LaSalle - Geschichten von einsamen, häßlichen Kindern, die eines Tages eine Familie und Liebe und Glück finden.«
    »Das stimmt alles überhaupt nicht!« protestierte Julie lautstark und lief dabei puterrot an. »Das klingt, als sei ich ein -ein feiger Schwächling. Ich brauche niemanden, der mich liebt, und auch die Kinder im LaSalle brauchen niemanden. Ich brauche das nicht, und ich will es auch nicht! Ich bin glücklich ...«
    »Das ist nicht wahr, Julie. Wir werden uns heute die ganze Wahrheit sagen, und ich bin noch nicht damit fertig.« Den Blick des Kindes festhaltend, stellte sie mit ruhiger Bestimmtheit klar: »Die Wahrheit ist, daß wir während des Testprojekts entdeckt haben, daß du ein tapferes, wunderbares und sehr, sehr gescheites kleines Mädchen bist.« Sie lächelte über Julies verblüffte, zweifelnde Miene und fuhr fort: »Der einzige Grund, warum du nicht lesen und schreiben gelernt hast, liegt darin, daß du so viele Unterrichtsstunden wegen Krankheit versäumt hast. Den Stoff konntest du später nicht mehr aufholen. Das hat überhaupt nichts mit deiner Lernfähigkeit zu tun, mit dem, was du >Gescheitsein< nennst und was wir als >Intelligenz< bezeichnen. Um alles Versäumte aufzuholen, brauchst du nichts weiter als einen Menschen, der dir eine Zeitlang etwas Nachhilfe gibt. Nun, abgesehen davon, daß du wirklich sehr gescheit

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