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Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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bist«, sie begann vorsichtig das Thema zu wechseln, »hast du ein völlig natürliches Bedürfnis nach Liebe. Du bist sehr sensibel, und deshalb bist du auch so verletzlich. Aus demselben Grund kannst du es auch nicht ertragen, daß andere Kinder leiden. Du gibst dir große Mühe, sie glücklich zu machen, indem du ihnen Geschichten erzählst und Dinge für sie stiehlst. Ich weiß, daß du dieses Mitgefühl verabscheust, aber glaub mir, es ist eine deiner wertvollsten Eigenschaften. Jetzt mußt du nur noch in das richtige Milieu kommen, damit aus dir die junge Frau werden kann, die du eigentlich bist.«
    Bei dem unbekannten Wort Milieu wurde Julie blaß; es klang wie eine Institution, wie, vielleicht, Gefängnis.
    »Ich kenne die richtigen Pflegeeltern für dich - James und Mary Mathison. Mrs. Mathison war früher Lehrerin, und sie wird dir gerne dabei helfen, den versäumten Lernstoff aufzuholen. Reverend Mathison ist ein Pfarrer ...«
    Julie schoß wie von der Tarantel gestochen hoch. »Ein Moralprediger!« kreischte sie und schüttelte heftig den Kopf. Ihr fielen die Predigten über Höllenfeuer und ewige Verdammnis ein, die sie oft in der Kirche über sich hatte ergehen lassen müssen. »Nein danke, da gehe ich noch lieber in den Knast.«
    »Du warst noch nie im Knast, also hast du überhaupt keine Ahnung, wovon du redest«, stellte Dr. Wilmer sachlich fest. Sie berichtete weiter von der neuen Pflegefamilie, und Julie wußte, daß sie gar keine andere Wahl hatte. »James und Mary Mathison sind vor ein paar Jahren in eine texanische Kleinstadt gezogen. Sie haben zwei Söhne, die fünf bzw. drei Jahre älter sind als du, und anders als in deinen bisherigen Pflegefamilien wirst du das einzige Pflegekind sein. Du wirst in einer richtigen Familie aufwachsen, Julie. Du wirst sogar dein eigenes Zimmer haben, und ich weiß doch, wieviel dir das bedeutet. Ich habe mit James und Mary über dich gesprochen, und sie freuen sich schon sehr darauf, dich bei sich zu haben.«
    »Für wie lange?« fragte Julie, ängstlich bemüht, sich nicht zu sehr auf etwas zu freuen, was vermutlich nicht von Dauer sein würde.
    »Für immer, vorausgesetzt, es gefällt dir dort und du bist bereit, einer strikten Regel Folge zu leisten, die sie für sich und ihre Kinder aufgestellt haben: Ehrlichkeit. Das bedeutet: keine weiteren Diebstähle, keine Lügen und kein Schuleschwänzen mehr. Du brauchst nichts weiter zu tun, als ehrlich zu sein. Sie glauben fest daran, daß du das kannst, und sie freuen sich wirklich unheimlich darauf, dich in ihre Familie aufzunehmen. Mrs. Mathison hat mich vor ein paar Minuten angerufen und schon einige Lernspiele und ähnliches besorgt, was dir dabei helfen wird, möglichst schnell lesen zu lernen. Sie wartet schon darauf, daß du sie zum Einkaufen begleitest und dir Sachen für dein Zimmer aussuchst, damit es auch so aussieht, wie du es magst.«
    Einen Freudenjauchzer unterdrückend, sagte Julie: »Sie wissen aber nicht, daß ich erwischt worden bin, oder? Ich meine beim Schuleschwänzen?«
    »Beim Schuleschwänzen«, Dr. Wilmer nannte die schreckliche Wahrheit beim Namen, »und beim versuchten Autodiebstahl. Doch, sie wissen über alles Bescheid.«
    »Und trotzdem haben sie nichts dagegen, daß ich bei ihnen wohne?« fragte Julie spöttisch. »Sie müssen das Geld, das sie vom Staat dafür bekommen, wirklich dringend benötigen.«
    »Geld spielt bei ihrer Entscheidung überhaupt keine Rolle!« erwiderte Dr. Wilmer streng. »Sie sind eine ganz besondere Familie. Sie sind nicht reich, was Geld angeht, aber sie sind unendlich reich an anderen Gaben. Und diese Gaben wollen sie mit einem Kind teilen, das es verdient.«
    »Und sie glauben wirklich, daß ausgerechnet ich das verdiene?« spöttelte Julie. »Kein Mensch wollte mich, bevor ich verhaftet wurde. Warum sollte sich jetzt jemand für mich interessieren?«
    Die Frage ignorierend, stand Dr. Wilmer auf und ging um ihren Schreibtisch herum. »Julie«, sagte sie sanft und wartete, bis das Mädchen zögernd den Blick hob, »ich habe noch nie ein Kind kennengelernt, das es mehr verdient hat als du.«
    Diesem ersten Kompliment in Julies Leben folgte eine der wenigen körperlichen Zuwendungen, die Julie je erfahren hatte: Dr. Wilmer legte ihre Hand an Julies Wange, während sie sagte: »Ich weiß nicht, wie du es fertiggebracht hast, so süß und so liebenswert zu bleiben, aber glaube mir, du verdienst alle Hilfe, die ich dir geben kann, und all die Liebe, die du bei

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