Perfekt
analysieren, zu sezieren und zu beurteilen galt. Und seine Kritik fiel derart barsch und abfällig aus, daß sie es schließlich vorzog, seinen abschätzigen Kommentaren zu entgehen, indem sie das Wohnzimmer mit der Ausrede verließ, sie wolle Popcorn zubereiten.
Als sie, die Schüssel auf dem Tisch abstellend, auf den übergroßen Bildschirm des Fernsehers blickte, seufzte sie vor Erleichterung leise auf: Das spannende Ende des Films war fast vorüber. Zack hielt es offensichtlich für wenig spannend, denn er blickte mittendrin zu ihr auf und sagte grinsend: »Ich liebe Popcorn. Hast du es auch gut gesalzen?«
»Aber sicher«, sagte Julie.
»Und hoffentlich auch Butter drübergetan?«
Ein Blick auf sein jungenhaftes Grinsen, und Julie vergaß, wie sehr er sie noch vor wenigen Augenblicken genervt hatte. »Es schwimmt in Butter«, scherzte sie. »Ich hole noch ein paar Servietten und etwas zu trinken. Bin sofort wieder da.«
Zack sah ihr nach, als sie zur Küche ging, und bemerkte wiederum bewundernd die natürliche Anmut ihres Ganges und die Grazie, mit der sie ihre Kleider trug. Auf seine dringende Bitte hin hatte sie heute nachmittag etwas anderes aus dem Schrank angezogen - eine schlichte weiße Seidenbluse mit weiten, locker fallenden Ärmeln, dazu eine schwarze Wollhose mit einem in Falten gelegten breiten Bund. Als er die Kleider auf dem Bett liegen gesehen hatte, war er zunächst enttäuscht darüber gewesen, daß sie sich nichts Exklusiveres ausgesucht hatte. Doch als er sie dann an ihr sah, mit einem schmalen gehämmerten Goldgürtel um die schlanke Taille, einem gleichfalls ausgeliehenen Goldreif am Arm und den Blusenkragen hochgestellt, änderte er seine Meinung umgehend. Mit dem üppigen, schimmernden Haar, das in Locken und Löckchen ihr Gesicht umspielte und weich über die Schulter fiel, wirkte Julies Kleidung lässig-elegant, was ihren Typ perfekt betonte. Er überlegte gerade, welche Art Abendkleid ihr wohl am besten entsprechen würde, als ihn die Erkenntnis darf, daß er sicherlich niemals Gelegenheit haben würde, sie zu einem gesellschaftlichen Anlaß zu begleiten, der Abendkleidung erforderte. Die Zeiten, zu denen er zu Filmpremieren, Wohltätigkeitsbällen und Academy-Award-Dinners eingeladen worden war, gehörten längst der Vergangenheit an; wie hatte er das nur vergessen können. Er würde Julie nie zu etwas Derartigem begleiten, würde sie nie irgendwohin ausführen können. Niemals.
Diese Erkenntnis deprimierte ihn derart, daß er sich Mühe geben mußte, sich dadurch nicht den ansonsten wunderbaren Tag mit ihr verderben zu lassen. Unter Einsatz all seiner Willenskraft gelang es ihm, sich voll und ganz auf den Abend zu konzentrieren, der vor ihnen lag, und so setzte er sich lächelnd neben sie auf das Sofa. »Möchtest du nicht noch einen Film aussuchen?«
Das letzte, wozu Julie jetzt Lust hatte, war, einen weiteren von ihr ausgewählten Film in Grund und Boden kritisieren zu lassen. Wenn er, was offenbar der Fall war, noch einen Film sehen wollte, würde sie zwar nichts dagegen einwenden, wollte aber keinesfalls dafür verantwortlich sein. Sie blickte ihn also mit gespieltem Entsetzen an und sagte: »Bitte, zwing mich nicht dazu. Ich bügle von mir aus deine Socken oder stärke deine Taschentücher, aber bitte mich nicht, noch einen Film für dich auszuwählen.«
»Warum nicht?« fragte er und sah unschuldig und überrascht drein.
»Warum!« brachte Julie lachend heraus. »Weil du schlimmer als der schlimmste Kritiker bist! Du hast den Film völlig verrissen.«
»Ich habe lediglich auf ein paar Schwachpunkte hingewiesen. Ich habe ihn keineswegs verrissen.«
»Doch, das hast du! Du hast bei der einen Sterbeszene so laut gelacht, daß ich nicht einmal hören konnte, was gesprochen wurde.«
»Weil es so komisch war!« erwiderte er leichthin. »Drehbuch und schauspielerische Leistung waren so schlecht, daß es einfach urkomisch wirkte. Weißt du was«, schlug er kompromißbereit vor, stand auf und streckte ihr die Hand hin, »wir werden uns gemeinsam den nächsten Film aussuchen.«
Zögernd erhob sich Julie und ging mit ihm zu dem Einbauschrank, in dem über hundert Spielfilmkassetten standen, Klassiker ebenso wie brandneue.
»Irgendwelche besonderen Vorlieben?« erkundigte er sich.
Julie überflog die Titel, und ihr Blick blieb auf Zacks Filmen haften. Sie wußte, daß es allein schon die Höflichkeit gebot, daß sie vorschlug, einen davon anzusehen, aber sie brachte es
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