Perfekt
»Armer Kerl.«
»Danke«, sagte sie undankbar.
»Hast du vor, dieses pubertäre Geplänkel noch länger fortzusetzen, oder erzählst du mir jetzt endlich, was du sonst noch dem FBI verheimlicht hast?«
»Bist du schon mal auf die Idee gekommen, daß ich vielleicht auch ein Recht auf Privatsphäre, Würde und Anstand habe ...«
»Wenn dir an Würde und Anstand gelegen ist, solltest du dich nicht mit entflohenen Sträflingen einlassen.«
Julie kam sich vor, als hätte er ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt. Wortlos stieg sie aus und schlug die Autotür hinter sich zu. Sie wollte gerade klingeln, als Ted sie am Arm packte. »Was zum Teufel hast du vor?«
»Den einzigen Punkt, in dem ich gelogen habe und der mich, falls es herauskommt, mit dem Gesetz in Konflikt bringen könnte, habe ich dir bereits genannt«, sagte Julie und drückte auf den Klingelknopf. »Und jetzt habe ich vor, das, was Carl und dich so brennend zu interessieren scheint, euch gemeinsam zu erzählen. Und darüber hinaus gibt es dann absolut nichts mehr zu berichten.«
Carl öffnete ihnen die Tür, und Julie marschierte an ihm vorbei in die prächtige Eingangshalle. Dann drehte sie sich abrupt um. Katherine, die gerade die breite Treppe herunterkam, überhaupt nicht wahrnehmend, blickte sie den überraschten Carl finster an und sagte verbittert: »Ted meint, wenn mir etwas an Würde und Anstand läge, sollte ich mich nicht mit entflohenen Sträflingen >einlassen<, und ich bin sicher, daß er damit recht hat! Hier also die ganze Wahrheit: Ich habe dem FBI erzählt, daß Zack mich nicht körperlich mißbraucht hat, und das hat er auch nicht! Er hat sein Leben riskiert, um meines zu retten, und nicht einmal ihr beide, die ihr ihn offensichtlich zutiefst verabscheut, könnt das negativ auslegen. Er hat mir nicht weh getan. Er hat mich nicht vergewaltigt. Ich habe mit ihm geschlafen. Ich habe mit ihm geschlafen, und ich hätte den Rest meines Lebens damit zugebracht, mit ihm zu schlafen, wenn er es mir erlaubt hätte! Seid ihr jetzt zufrieden? Reicht es euch endlich? Ich hoffe es sehr, denn mehr gibt es nicht zu erzählen! Ich weiß nicht, wo Zack ist! Ich habe keine Ahnung, wo er hinwollte! Ich gäbe weiß Gott was darum, wenn ich wüßte ...«
Carl zog sie in seine Arme und warf Ted einen wütenden Blick zu. »Was zum Teufel ist nur in dich gefahren, daß du sie derart fertiggemacht hast?«
Ted war so überrascht, daß er tatsächlich seine Ex-Frau ansah und offensichtlich erwartete, daß sie ihn unterstützte, doch Katherine schüttelte den Kopf und sagte: »Ted ist wirklich gut darin, Frauen, die ihn lieben, zum Weinen zu bringen. Er meint es ja nicht böse, aber er kann es uns einfach nicht vergeben, wenn wir uns nicht an seine Spielregeln halten. Deshalb ist er auch Polizist, und deshalb wird er auch ein exzellenter Anwalt sein. Er mag Regeln und Gesetze. Er liebt sie geradezu! Julie«, fuhr sie fort und nahm ihren Arm, »komm mit mir in die Bibliothek. Du bist furchtbar erschöpft, was deine Brüder nicht zu merken scheinen.«
Ted sah Carl bitter an und erklärte: »Ich hatte nicht vor, sie zu verletzen. Ich habe ihr nur gesagt, sie dürfe mir nichts verschweigen!«
»Du hättest das ein bißchen taktvoller anstellen können, anstatt sie quasi ins Kreuzverhör zu nehmen und sie als Flittchen hinzustellen!« bemerkte Carl böse, während sie, den beiden Frauen folgend, nebeneinander die Bibliothek betraten.
Julie ließ sich in einen Sessel fallen und wurde, sehr wohl wissend, daß sie selbst der auslösende Faktor war, unfreiwillige Zeugin eines Familiendramas, in dem Katherine die Hauptrolle übernahm: »Ihr beide habt ganz schön Nerven, so in Julies Privatleben herumzustochern und euch als ihre Richter aufzuspielen«, ließ sie sie ärgerlich wissen, während sie zu einer in einen Mahagonischrank eingelassenen Hausbar ging und vier Gläser Wein einschenkte. »Das ist doch wohl der Gipfel der Scheinheiligkeit! Wenn man euch so reden hört, könnte man glauben, ihr beide seid die reinsten Heiligen. Und weil ihr Julie gegenüber diese Rolle immer recht brav gespielt habt, soll sie das wohl auch glauben. Aber ich kenne euch besser.« Sie nahm Julies Glas und ihr eigenes und ließ die beiden anderen bei der Hausbar stehen. »Ted, du hast mich in eben diesem Zimmer hier ausgezogen, bevor wir noch das erste Mal zusammen ausgegangen sind, und damals war ich gerade neunzehn!«
Fast automatisch akzeptierte Julie den Wein, während
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