Perfekt
Mietwagen für ihn bereit, und er war einige Meilen weit Richtung Süden gefahren, bis zu einem kleinen Flugplatz, auf dem wie verabredet eine Privatmaschine auf ihn wartete. Im Gegensatz zu dem Hubschrauberpiloten, der nicht ahnte, daß er eine illegale Handlung beging, wußte der Pilot der viermotorigen Propellermaschine Bescheid. Die Flugpläne, die er jedesmal im Büro der Flugüberwachung vorlegte, wenn sie zum Nachtanken landen mußten, entsprachen nie der Route, die das kleine Flugzeug tatsächlich nahm: Richtung Süd-Südost.
Schon bald nachdem sie den US-amerikanischen Luftraum verlassen hatten, war Zack eingenickt und immer nur dann kurz aufgewacht, wenn sie unterwegs zwischenlandeten. Seit sie jedoch angekommen waren, hatte er nie mehr als einige Stunden hintereinander geschlafen.
Jetzt stand er auf und schenkte sich ein Glas Brandy ein. Obwohl er es besser wußte, hoffte er, dadurch leichter einschlafen zu können. Dann nahm er es mit hinauf in den kleinen Salon, der ihm in diesem schwimmenden »Zuhause« als Wohn- und Eßzimmer diente. Er schaltete das große Deckenlicht aus und ließ nur die kleine Messinglampe auf dem Beistelltisch neben dem Sofa brennen, weil sie das Bild von Julie beleuchtete, das er aus einer Zeitung der vergangenen Woche gerissen und eingerahmt hatte. Zuerst hatte er angenommen, es sei die Aufnahme von ihrem Collegeabschluß gewesen, doch als er es heute abend noch einmal ganz genau ansah und dabei den Brandy schlürfte, kam er zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich eher bei einem festlichen Anlaß - einer Party oder vielleicht sogar einer Hochzeit - aufgenommen worden war. Sie trug eine Perlenkette und ein hochgeschlossenes, pfirsichfarbenes Kleid; was ihm an dem Bild jedoch am besten gefiel, war die Tatsache, daß ihr Haar darauf genauso aussah wie an dem Abend, an dem sie sich für ihre »Verabredung« feingemacht hatte.
Er wußte, daß er sich damit nur selbst quälte, und konnte doch nicht aufhören, sie anzusehen. Erneut nahm er den Bilderrahmen in die Hand, schlug die Beine übereinander und legte das Foto auf seinen Schoß. Dann fuhr er leicht mit dem Daumen über ihren lächelnden Mund und überlegte, ob sie jetzt, da sie wieder zu Hause war, wohl oft lächelte. Er hoffte es sehr, doch während er auf ihr Foto blickte, sah er sie so vor sich, wie er sie zuletzt gesehen hatte - einen schmerzlichen Ausdruck auf dem Gesicht, weil er ihre Liebeserklärung ins Lächerliche gezogen hatte. Die Erinnerung daran ließ ihm keine Ruhe. Dazu kamen all die anderen Sorgen, die er sich um sie machte, wie zum Beispiel die Frage, ob sie schwanger war oder nicht. Unentwegt quälte er sich selbst damit, ob sie wohl eher eine Abtreibung oder die Schande ertragen würde, in einer Kleinstadt ein uneheliches Kind großzuziehen.
Da war soviel, was er ihr erzählen wollte, soviel, was er ihr dringend sagen mußte. Gegen den Drang ankämpfend, einen weiteren Brief an sie zu schreiben, stürzte er den Rest seines Brandys hinunter. Er schrieb ihr mehrmals täglich, obwohl er verdammt gut wußte, daß er seine Briefe niemals abschicken konnte. Er mußte aufhören, ihr Briefe zu schreiben, sagte er sich immer wieder.
Er mußte sie aus seinen Gedanken verbannen, bevor er vollkommen den Verstand verlor ...
Er mußte endlich einmal in Ruhe schlafen ...
Und noch während er dies dachte, griff er schon nach einem Stift und einem Blatt Papier.
Manchmal erzählte er ihr, wie es ihm ging und was er so machte, manchmal beschrieb er mit großer Sorgfalt alles, was sie seiner Ansicht nach interessieren würde, zum Beispiel die Inseln am Horizont oder die Sitten der Fischer, doch heute abend war er in einer völlig anderen Stimmung. Heute abend, verursacht durch seine Übermüdung und den Brandy, quälten ihn sein schlechtes Gewissen und die Sorge um Julie schlimmer denn je. Der längst überholten amerikanischen Zeitung zufolge, die er heute morgen im Dorf gekauft hatte, stand Julie unter dem dringenden Verdacht, ihn bei seiner Flucht unterstützt zu haben. Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß sie möglicherweise einen Rechtsanwalt brauchen könnte, der die Polizei und das FBI davon abhalten würde, sie zu belästigen oder - schlimmer noch - sie der Beihilfe zur Flucht anzuklagen und schließlich dazu zu treiben, Dinge zuzugeben, derer sie sich überhaupt nicht schuldig gemacht hatte. Wenn das passierte, würde sie einen vorzüglichen Anwalt brauchen, nicht irgendeinen Bauerntölpel. Sie würde Geld
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