Perfekt
setzte sich unter einen Baum, von wo aus er alles beobachten konnte, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Er zog die Knie an und beobachtete, wie Rachel Tony Austins Wohnwagen betrat. Die Nachrichten heute morgen hatten peinliche Details über die Szene in der Suite und den anschließenden Kampf gebracht. Details, die zweifellos von den Hotelgästen stammten, die Zeugen des Vorfalls gewesen waren. Jetzt war die Presse bereits am Drehort, und Zacks Sicherheitspersonal hatte alle Hände voll zu tun, um sie am Tor zurückzuhalten. Dies war nur möglich, weil er zugesagt hatte, den Reportern später Rede und Antwort zu stehen. Rachel und Tony hatten bereits Statements abgegeben, doch Zack war entschlossen, kein einziges Wort zu sagen. Er stand dem ganzen Presserummel mit derselben eiskalten Gleichgültigkeit gegenüber, mit der er einige Stunden zuvor die Nachricht aufgenommen hatte, daß Rachels Anwälte in Los Angeles die Scheidung eingereicht hatten. Das einzige, was noch an den Nerven zerrte, war die letzte Szene mit Tony und Rachel, die er drehen mußte, bevor sie heute abend zusammenpacken konnten. Eine hitzige, leidenschaftliche und äußerst sinnliche Szene. Und er wußte nicht, wie er damit fertig werden würde, vor allem, wenn das ganze Team dabei war und zusah.
Sobald er diese Hürde genommen hatte, würde es sehr viel leichter sein, Rachel für immer aus seinem Leben zu streichen. Denn das mußte Zack unumwunden zugeben: Was immer er für sie empfunden hatte, als sie vor drei Jahren heirateten, das Gefühl war schon kurze Zeit danach verschwunden. Seitdem verbanden sie nur mehr rein praktische Gründe, Sexualität und gesellschaftliche Verpflichtungen. Ohne Rachel würde sein Leben nicht leerer, nicht ärmer und nicht oberflächlicher sein, als es die vergangenen zehn Jahre sowieso gewesen war.
Bei dem Gedanken daran runzelte Zack die Stirn. Er beobachtete ein winziges Insekt, das mühsam einen hohen Grashalm neben seiner Hüfte erklomm. Und er fragte sich, warum sein eigenes Leben ihm häufig so frustrierend freud-und ziellos vorkam; warum es so leer schein, so ohne tieferen Sinn und Zweck, ohne echte Befriedigung. Dabei war es nicht immer so gewesen ...
Als er mit Charlie Murdocks Lastwagen in Los Angeles ankam, hatte schon allein das nackte Überleben eine Herausforderung bedeutet. Der Job, den er mit Charlies Hilfe auf den Laderampen der Empire Studios erhielt, war ihm als gigantischer Triumph erschienen. Einen Monat später suchte der Regisseur eines billigen, zweitklassigen Films über eine Streetgang, die die Schüler einer High-School terrorisierte, einige neue Gesichter für eine Massenszene. Er engagierte dafür auch Zack. Dieser mußte sich lediglich gegen eine Ziegelmauer lehnen und einen gelangweilten, harten Typen darstellen. Das Geld, das Zack dafür erhielt, war wie ein Geschenk des Himmels. Und nicht weniger hatte es ihn überrascht, als er einige Tage später in das Büro des Regisseurs gerufen wurde. »Zack, mein Junge, Sie haben etwas, was wir Präsenz nennen. Die Kamera liebt sie. Im Film kommen Sie raus wie ein launenhafter, moderner James Dean. Nur sind Sie größer und sehen besser aus. Sie beherrschen die ganze Szene, obwohl Sie bloß dastehen. Wenn Sie schauspielern können, bringe ich Sie in meinem nächsten Western unter. Und besorgen Sie sich die nötigen Papiere von der Gewerkschaft.«
Was Zack an der Sache reizte, war nicht der Gedanke, in einem Film aufzutreten, sondern das Geld, das man ihm dafür bot. Also holte er sich die Papiere von der SAG und nahm Schauspielvinterricht.
Das Spielen war ihm nie schwergefallen. Zum einen mochte das daran gelegen haben, daß er schon, bevor er das Haus seiner Großmutter verließ, jahrelang »geschauspielert« hatte, indem er eine Gleichgültigkeit vortäuschte, die er nie verspürte. Zum anderen hatte er sich mit Leib und Seele einem Ziel verschreiben: Zack war entschlossen, seiner Großmutter und ganz Ridgemont zu beweisen, daß er imstande war, sich alleine durchzuschlagen und es zu etwas zu bringen. Und um dieses Ziel zu erreichen, war er bereit, fast alles zu tun, ganz gleichgültig, wieviel Mühe und Anstrengung es auch kosten würde.
Ridgemont war eine Kleinstadt, und Zack war sich sicher, daß die Details seines Rauswurfs schon wenige Stunden, nachdem er das Haus seiner Großmutter zu Fuß verlassen hatte, bekanntgeworden waren. Als seine ersten beiden Filme erschienen, las er seine Fanpost sehr aufmerksam durch. Er hoffte,
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