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Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Mutter, in der anderen eine Eistüte, während ihre Großeltern geruhsam auf einer der schattigen Bänke saßen und in Erinnerungen schwelgten. Keaton war eine Stadt, in der die Menschen gerne an alten Freundschaften, alten Traditionen und Erinnerungen festhielten. Und es war eine Stadt, in der jeder über jeden Bescheid wußte.
    Julie gehörte jetzt zu all dem dazu. Sie liebte dieses Gefühl der Geborgenheit, der Zugehörigkeit, die ihr das Leben hier vermittelte, und seit sie mit elf Jahren hierhergekommen war, vermied sie alles, wodurch sie irgendwie ins Gerede hätte kommen können. Als Teenager traf sie sich nur mit Jungen, die ihre Eltern und die ganze Stadt mochten, und sie besuchte mit ihnen auch ausschließlich Veranstaltungen, die entweder von der Schule oder von der Kirche organisiert wurden. Nie verstieß sie gegen irgendwelche Vorschriften, niemals überschritt sie auch nur eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Solange sie das College besuchte, wohnte sie zu Hause, und nachdem sie im vergangenen Herbst endlich das kleine Häuschen im Norden der Stadt gemietet hatte, hielt sie es untadelig sauber und machte es sich zur Gewohnheit, nach Einbruch der Dunkelheit keine männlichen Besucher zu empfangen, die nicht zur Familie gehörten. Andere junge Frauen, die in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts aufwuchsen, hätten unter solchen Restriktionen - ob selbstgewählt oder nicht - gelitten. Julie fühlte sich wohl dabei. Sie hatte ein richtiges Heim gefunden, eine liebevolle Familie, die sie respektierte und die ihr vertraute, und sie war entschlossen, sich all dessen immer würdig zu erweisen. Ihre Bemühungen erwiesen sich als so erfolgreich, daß Julie Mathison allmählich zur Musterbürgerin Keatons geworden war: Sie lehrte nicht nur an der örtlichen Grundschule und kümmerte sich um das Behinderten-Programm, sondern unterrichtete auch in der Sonntagsschule, sang im Kirchenchor, backte Plätzchen für Wohltätigkeitsveranstaltungen und knüpfte Teppiche, deren Erlös zum Bau eines neuen Feuerwehrhauses beitrug.
    Mit dieser Entschlossenheit hatte sie sämtliche Spuren des rücksichtslosen, impulsiven Gassenkindes beseitigt, das sie einst gewesen war. Gleichzeitig jedoch wurde jedes Opfer, das sie brachte, mit solchem Dank belohnt, daß sie stets das Gefühl hatte, sie sei der nehmende und nicht der gebende Teil. Sie liebte die Arbeit mit Kindern, und Erwachsenen das Lesen beizubringen erfüllte sie mit einer tiefen Zufriedenheit. Sie hatte sich selbst ein perfektes Leben geschaffen. Nur manchmal, abends, wenn sie allein war, wurde sie das Gefühl nicht los, das irgend etwas damit nicht stimmte. Irgend etwas war nicht ganz in Ordnung oder fehlte. Sie fühlte sich dann, als ob sie sich selbst eine Rolle geschaf fen hätte und nicht ganz sicher wäre, was nun als nächstes von ihr erwartet würde.
    Vor ungefähr einem Jahr, als ein neuer Hilfspfarrer, Greg Howley, nach Keaton gekommen war, um mit Julies Vater zusammenzuarbeiten, wurde ihr klar, was sie schon lange vorher hätte bemerken müssen: Sie wollte einen Ehemann und eine eigene Familie. Greg war derselben Meinung. Sie sprachen darüber, zu heiraten, aber Julie hatte noch warten wollen, bis sie sich ganz sicher war. Und jetzt war Greg in Florida bei seiner eigenen Gemeinde und wartete noch immer auf ihre Entscheidung. Die Bürger von Keaton, die den gutaussehenden jungen Pfarrer billigten und ihn gerne als Julies Mann gesehen hätten, waren enttäuscht gewesen, als Greg im letzten Monat nach Weihnachten abgereist war, ohne Julie einen Verlobungsring über den Finger gestreift zu haben. Auch Julie mochte ihn sehr, wirklich. Wenn nur nicht diese gewissen, unerklärlichen Zweifel gewesen wären ...

11
    Mit der Hüfte gegen das Pult gelehnt, lächelte Julie die sieben Frauen zwischen zwanzig und sechzig an, die bei ihr das Lesen lernen wollten. Ihre Entschlossenheit, ihr Mut und ihr Engagement hatten Julie sehr für sie eingenommen, und dabei war sie gerade erst dabei, die Frauen richtig kennenzulernen. In weniger als zwanzig Minuten würde sie im Haus ihrer Eltern zum Abendessen erwartet, und sie haßte es, den Unterricht jetzt abbrechen zu müssen. Widerwillig blickte sie auf ihre Armbanduhr und sagte: »Okay, meine Damen, machen wir Schluß für heute. Gibt es noch irgendwelche Fragen zu den Hausaufgaben für nächste Woche? Oder will jemand etwas sagen?«
    Sieben ernste Gesichter blickten zu ihr auf. Rosalie Silmet, fünfundzwanzig und eine

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