Perfekt
zurückhaltend, sobald sie aber merkten, daß er niemals Besuch bekam, ignorierten sie seine wahre Identität völlig und adoptierten ihn, als sei er ein enger Verwandter.
Zack, der ursprünglich nichts als seine Ruhe gewollt und das auch klar zum Ausdruck gebracht hatte, merkte schließlich, daß sein Verhalten vollkommen sinnlos war. Je mehr er versuchte, sich abzuschotten, desto enger zog ihn die vergnügte, liebevolle Familie in ihre Mitte. Bevor er sich darüber im klaren war, wie es soweit hatte kommen können, wurde er sowohl von der rundlichen Mama Sandini als auch von Dominics zahllosen Schwestern und Cousins und Cousinen umarmt und abgeküßt. Kinder mit dunklen Locken, Lutschern, klebrigen Fingern und bezauberndem Lächeln wurden ihm einfach auf den Schoß gesetzt, während ihre Mütter schnatternd den neuesten Klatsch aus Dominics riesiger Familie zum besten gaben. Vergeblich bemühte sich Zack, alle Namen zu behalten und gleichzeitig ein wachsames Auge auf die Kinder zu haben, deren Lutscher irgendwie immer in seinem Haar landeten. Auf einer Pritsche in einer völlig überfüllten Gefängniszelle sitzend, wurde er Zeuge, wie ein pummeliges Sandini-Baby zaghaft die ersten Schritte tat und dann hilfesuchend die Hände nach Zack ausstreckte, nicht nach irgendeinem Mitglied der Familie Sandini.
Sie nahmen ihn in ihre Mitte auf, schenkten ihm ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, und wenn sie gegangen waren, schickten sie ihm selbstgebackene Plätzchen und deftige Salami. Zweimal monatlich kamen die Pakete, mit derselben Regelmäßigkeit wie für Dominic. Obwohl er sie nicht vertrug, aß Zack jedesmal ein Stück von der Salami und sämtliche Plätzchen, und als Sandinis weibliche Verwandtschaft anfing, ihm zu schreiben und ihn um Autogramme zu bitten, tat er ihnen gerne den Gefallen. Sandinis Mama schickte Zack Geburtstagsgrüße und machte ihm Vorwürfe, weil er zuwenig aß und zu dünn wurde. Und wenn Zack, was selten genug der Fall war, wirklich einmal nach Lachen zumute war, dann war hundertprozentig unweigerlich die Familie Sandini daran schuld. Auf eine verrückte Art und Weise fühlte er sich Dominic Sandini und seiner Familie enger verbunden als jemals seiner eigenen.
Um seiner letzten bissigen Bemerkung über Sandinis zukünftigen Schwager etwas von ihrer Schärfe zu nehmen, sagte Zack deshalb jetzt mit feierlichem Emst: »Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind die Banken ja eigentlich auch nicht besser. Sie jagen Witwen und Waisen auf die Straße, wenn sie nicht zahlen können.«
»Genau!« sagte Sandini und nickte heftig. Seine gute Laune war wiederhergestellt.
Da Zack merkte, wie wohltuend es war, einmal nicht über all die Eventualitäten nachzudenken, die seine Flucht vereiteln könnten und auf die er nicht den geringsten Einfluß hatte, konzentrierte er sich nun voll auf Sandinis Neuigkeiten und fragte: »Wenn deine Mutter nichts dagegen hat, wie Guido sein Geld verdient oder daß er schon ein paarmal gesessen hat, warum will sie dann nicht, daß Gina ihn heiratet?«
»Ich habe dir doch gesagt«, antwortete Sandini ernst, »daß Guido schon mal verheiratet war - kirchlich - und daß er jetzt geschieden, also exkommuniziert ist.«
Zack bemühte sich, ernst zu bleiben: »Richtig. Das hatte ich vergessen.«
Sandini wandte sich wieder seinem Brief zu. »Gina läßt dich ganz herzlich grüßen. Und natürlich auch Mama. Mama sagt, daß du ihr nicht oft genug schreibst und daß du nicht genug ißt.«
Zack warf einen Blick auf die billige Kunststoffuhr, die er tragen durfte, und stand auf.
»Beweg deine müden Knochen, Sandini. Wir müssen zum Appell.«
13
Julies ältliche Nachbarinnen, die Eldridge-Zwillinge, saßen auf der Hollywood-Schaukel auf der Veranda vor ihrem Haus. Es war ein erstklassiger Aussichtspunkt, von dem aus sie fast alles sehen konnten, was in der näheren Umgebung, einem vier Block langen Stück der Elm Street, vor sich ging. Im Augenblick beobachteten die beiden alten Jungfern, wie Julie ihre Reisetasche auf den Rücksitz des Chevy Blazer warf.
»Guten Morgen, Julie!« rief Flossie Eldridge, und Julie fuhr herum. Sie war wirklich überrascht, daß die beiden weißhaarigen Damen schon um sechs Uhr früh auf und draußen im Freien waren.
»Guten Morgen, Miß Flossie«, antwortete sie, drehte sich um und watete durch das feuchte, hohe Gras, um den beiden gehorsam ihre Aufwartung zu machen. »Guten Morgen, Miß Ada.«
Obwohl schon jenseits der Siebzig, sahen sich
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