Perfekt
daß er für sein Geld ausgezeichnete Arbeit bekommt.«
»Du hast recht«, stimmte Carl zu. »Reden wir über etwas Erfreulicheres. Julie, du weichst dieser Frage nun schon seit Wochen aus. Wirst du Greg nun heiraten oder nicht?«
»Oh!« sagte sie. »Nun, ich... wir ...« Die ganze Familie beobachtete mit wachsendem Amüsement, wie sie das Besteck neben ihrem Teller neu arrangierte und anschließend die Schüssel mit dem Kartoffelbrei sorgfältig so hindrehte, daß das Dekor richtig zur Geltung kam! Als Ted laut lachte, fühlte sie sich ertappt und wurde rot. Schon seit ihrer Kindheit überkam sie jedesmal, wenn sie sich unsicher fühlte oder Sorgen machte, ein zwanghaftes Ordnungsbedürfnis. Dann begann sie alles Erreichbare umzuräumen und neu zu ordnen - ob es nun das Besteck neben ihrem Teller war, ihr Kleiderschrank oder die Speisekammer. Verlegen grinste sie die Mitglieder ihrer Familie an. »Ich denke schon. Irgendwann.«
Sie waren noch in Gedanken versunken, als sie zu dritt das Haus verließen und Herman Henkleman sahen, der, den Hut in der Hand, auf sie zukam. Er machte eine entschuldigende Geste. Mit seinen siebzig Jahren war er groß und hager; so, wie er jetzt die Schultern unsicher hochzog, wirkte er irgendwie ergreifend, »'n Abend, miteinander«, begrüßte er die kleine Gruppe vor dem Haus, dann wandte er sich an Carl: »Ich weiß, daß ich den Addleson-Job vermasselt habe und entlassen bin, Carl, aber ich hatte gehofft, daß Sie mich wenigstens das in Ordnung bringen lassen, was ich verhunzt habe. Das ist alles, worum ich Sie bitten möchte. Ich will kein Geld dafür, aber ich hab' Sie hängenlassen, und das möchte ich so gut ich kann wiedergutmachen.«
»Herman, es tut mir leid, aber ...«
Der ältere Mann hob seine Hand, eine feingliedrige, überraschend aristokratische Hand. »Carl, keiner außer mir kann so schnell feststellen, was ich da alles durcheinandergebracht habe. Ich hab' mich die ganze Woche nicht wohlgefühlt, aber ich wollte Ihnen nichts davon sagen, weil ich Angst hatte, Sie würden sagen, daß ich zu alt und zu krank sei, und daß Sie mir den Job wegnehmen würden. Dabei bin ich gar nicht so krank, es war bloß die Grippe. Ihr neuer Elektriker glaubt wahrscheinlich, daß er alles gefunden hat, was ich falsch gemacht habe, aber wenn noch etwas Zusätzliches auftaucht, nachdem die Wände verputzt sind, werden Sie alles wieder aufreißen müssen. Sie wissen doch, daß es nicht gut ist, mitten in einem Job die Elektriker zu wechseln. Das gibt hinterher fast immer Ärger.«
Carl zögerte, und Julie und Ted zogen sich zurück, um ihm Gelegenheit zu geben, ungestört darüber nachzudenken. Sie verabschiedeten sich und gingen zu Carls Blazer.
»Der Wetterbericht spricht von einem Tief, das im Anzug auf den Norden von Texas ist«, sagte Ted, der in seiner dün-nen Jacke etwas fröstelte. »Wenn es da oben anfängt zu schneien, wirst du für den Allradantrieb dankbar sein. Bloß schade, daß Carl sein Telefon in seinem anderen Wagen braucht. Ich würde mich besser fühlen, wenn er es im Blazer gelassen hätte.«
»Ich komme schon klar«, versprach Julie fröhlich und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Beim Wegfahren betrachtete sie ihn im Rückspiegel. Die Hände in den Taschen, stand er am Bürgersteig, ein hochgewachsener, schlanker, gutaussehender blonder junger Mann mit einem kalten, einsamen Ausdruck im Gesicht. Es war derselbe Ausdruck, den sie seit seiner Scheidung von Katherine Cahill so oft an ihm gesehen hatte. Katherine war damals ihre beste Freundin gewesen, und sie war es eigentlich noch immer, obwohl sie inzwischen nach Dallas gezogen war. Weder Katherine noch Ted sprachen in Julies Anwesenheit jemals abfällig über den anderen, und sie konnte nicht verstehen, warum zwei Menschen, die sie so sehr liebte, einander nicht lieben konnten. Diesen unerfreulichen Gedanken beiseite schiebend, wandte Julie sich ihrer morgigen Fahrt nach Amarillo zu. Hoffentlich schneite es nicht.
»Hey, Zack«, das Flüstern war kaum hörbar. »Was willst du tun, wenn es übermorgen schneit, wie der Wetterbericht gesagt hat?« Dominic Sandini richtete sich auf und blickte zu dem Mann hinüber, der ausgestreckt auf dem anderen Bett lag und an die Decke starrte. »Zack, hörst du mich?« fragte er ein klein wenig lauter.
Zack riß sich von dem Gedanken an seine unmittelbar bevorstehende Flucht und die damit verbundenen Risiken los, wandte langsam den Kopf und sah den drahtigen, dunklen
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