Perfekt
ankamen. Hier, in der Mitte einer einsamen Lichtung, stand ein solides Haus aus Stein und Zedernholz mit riesigen Panoramafenstern. »Hierher«, sagte er.
»Wer um Himmels willen hat das hier gebaut? Ein Einsiedler?«
»Jemand, der offensichtlich Ruhe und Einsamkeit schätzt.«
»Gehört es einem Verwandten von Ihnen?« fragte sie, auf einmal mißtrauisch geworden.
»Nein.«
»Weiß der Besitzer, daß Sie sein Haus als Versteck benutzen, solange die Polizei nach Ihnen sucht?«
»Sie stellen zu viele Fragen«, sagte er, brachte den Wagen neben dem Haus zum Stehen und stieg aus. Er kam um das Auto herum und hielt ihr die Beifahrertür auf. »Gehen wir.«
»Wir?« stieß Julie hervor und preßte sich fest gegen die Lehne ihres Sitzes. »Sie haben gesagt, daß Sie mich freilassen, wenn ich Sie hierhergebracht hätte.«
»Ich habe gelogen.«
»Sie - Sie Mistkerl, und ich habe Ihnen geglaubt!« rief sie, aber auch sie log. Den ganzen Tag hatte sie verzweifelt versucht, das zu verdrängen, was ihr gesunder Menschenverstand ihr sagte: Er hatte sie so lange bei sich behalten, um sie daran zu hindern, den Behörden zu erzählen, wo er sich aufhielt; wenn er sie jetzt freiließe, würde sie nichts mehr daran hindern, genau das zu tun.
»Julie«, sagte er mühsam, seine Ungeduld bezähmend, »machen Sie es sich doch nicht unnötig schwer. Sie sitzen hier ein paar Tage lang fest, und es gibt schlimmere Orte.« Mit diesen Worten griff er über sie hinweg, zog den Zündschlüssel ab und stapfte auf das Haus zu. Den Bruchteil einer Sekunde lang fühlte sie sich zu elend und zu wütend, um sich zu bewegen, dann schluckte sie die Tränen der Hilflosigkeit hinunter, die ihr in den Augen standen, und stieg aus. Sie zitterte in den eisigen Windböen, dann folgte sie ihm zum Haus, wobei sie sich bemühte, ihre Füße in die knietiefen Fußstapfen zu setzen, die seine Stiefel in den Schneewehen hinterlassen hatten.
Sich die Oberarme reibend, beobachtete sie, wie er versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war versperrt. Er rüttelte daran. Das Schloß hielt. Er ließ den Griff los und stand da, die Hände in die Hüften gestemmt; einen Moment lang blickte er sich gedankenverloren um. »W-was j-jetzt?« wollte sie mit klappernden Zähnen wissen. »W-wie w-wollen Sie r-rein-kommen?«
Er warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Was glauben Sie, daß ich tue?« Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und ging auf die Terrasse zu, die das Haus auf zwei Seiten umgab. Wie ein gehorsamer Hund trottete Julie hinter ihm her. Sie fror und war ärgerlich. »Sie werden durch ein Fenster einsteigen, nicht wahr?« spekulierte sie, und der Widerwille stand ihr deutlich im Gesicht geschrieben. Dann blickte sie die riesigen Panoramafenster hinauf, die über drei Etagen bis unter das Dach reichten, und fügte hinzu: »Wenn Sie eines von denen einschlagen, fällt Ihnen das ganze Glas auf den Kopf.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh«, sagte er und ließ seinen Blick über eine Reihe von kleineren Schneehügeln wandern, unter denen offensichtlich etwas verborgen war. Er begann in einem davon zu graben und stieß auf einen großen Blumentopf, den er aufhob und zur Hintertür trug.
»Was haben Sie denn jetzt vor?«
»Raten Sie.«
»Woher soll ich das wissen?« giftete Julie. »Sie sind der Kriminelle, nicht ich.«
»Stimmt, aber ich wurde wegen Mordes verurteilt, nicht wegen Einbruch und Diebstahl.«
Ungläubig beobachtete sie, wie er versuchte, in der gefrorenen Blumenerde zu wühlen, dann schlug er den Tontopf gegen die Hauswand und zerbrach ihn. Die Erde und die Scherben fielen zu Boden. Wortlos bückte er sich und begann, mit der bloßen Faust auf die Blumenerde einzuhämmern, während Julie erstaunt zusah. »Sind Sie dabei, einen Wutanfall abzureagieren?« fragte sie.
»Nein, Miß Mathison«, antwortete er übertrieben geduldig, während er ein Stück Erde aufhob und mit dem Finger daran herumwischte. »Ich suche einen Schlüssel.«
»Kein Mensch, der sich ein Haus wie dieses leisten kann und genug Geld hat, sich eine Straße mitten durch die Wildnis bauen zu lassen, wäre so naiv, einen Schlüssel in einem Blumentopf zu verstecken! Sie verschwenden nur Ihre Zeit.«
»Sind Sie immer so eine Xanthippe?« fragte er und schüttelte dabei irritiert den Kopf.
»Eine Xanthippe!« wiederholte Julie, und vor Ärger klang ihre Stimme halb erstickt. »Sie stehlen mein Auto und nehmen mich als Geisel, bedrohen mich, und dann besitzen Sie
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