Performer, Styler, Egoisten
Fiske 2003: 110ff.).
Daneben verfügt die Musik über ein großes Potential, um die Gefühle und Emotionen der Jugendlichen zu regulieren. Jugendliche nutzen Musik, um mit ihr so genanntes „Mood-Management“ (Stimmungs-Management) zu betreiben (vgl. Müller u. a. 2002: 21). Sie hören die unterschiedlichsten Musikstile, die die unterschiedlichsten Stimmungen erzeugen und ganz unterschiedliche Weltanschauungen und Lebensphilosophien repräsentieren. Sie surfen durch die Musikgenres. Je nach Situation, Stimmung und personalem Setting wird die passende Musik ausgewählt.
In der psychologischen Rezeptionsforschung unterscheidet man beim Musikkonsum prinzipiell zwischen dem Isoprinzip und dem Kompensationsprinzip (vgl. Schramm 2003: 448). Während das Isoprinzip die These stützt, dass Menschen dazu tendieren, stimmungskongruente Musik zu hören, unterstützt das Kompensationsprinzip die Auffassung, dass Menschen dazu tendieren, negative Stimmungslagen durch fröhliche Musik aufzuhellen, also zu kompensieren, oder dass Musik dabei helfen soll, z. B. Monotonieerfahrungen erträglicher zu machen. Aus diesem Grund hören Menschen bei der Hausarbeit in erster Linie aktivierende und fröhliche Musik, um dem Gefühl der Monotonie zumindest teilweise zu entgehen (vgl. ebd.). Entscheidend für die stimmungsabhängige Musikauswahl der Jugend dürfte aber sein, ob die entsprechende Stimmung, in der sie sich befindet, erwünscht ist oder nicht. Jedenfalls zeigen Untersuchungen aus dem Bereich der psychologischen Forschung, dass Jugendliche in erster Linie dann traurige Musik hören, um melancholische Stimmungen zu unterstützen, wenn sie dieser Melancholie auch etwas Positives abgewinnen können (vgl. ebd.). Interessant erscheint auch die Überlegung, dass vor allem Jugendliche aggressive Musik hören, um Wut abzureagieren, weil sie im Vergleich zu älteren Personen „noch keine alternativen Wege der Frust- und Aggressionsbewältigung erlernt haben“ (ebd.: 449).
Relevant sind in diesem Zusammenhang aber auch Überlegungen von Wolfgang Welsch, der eine Reduzierung der öffentlichen Lautmenge fordert (vgl. Welsch 1996: 257f.). Dass die Musik quasi überall spielt, führt nach Welsch dazu, dass sie als entspannendes, den Alltag transzendierendes oder kompensierendes Kulturangebot nicht mehr funktioniert: „Ich liebe diese Musik – aber sie ist eine Alternative zum Alltag, nicht ein Standard des Alltags.“ (Ebd.: 257) Eine Reduzierung der Musikbeschallung im Alltag legen auch psychologische Studien nahe. So wollen 73 Prozent der Menschen beim konzentrierten Arbeiten keine Musik hören, 33 Prozent ertragen Musik im Stimmungszustand der Wut oder des Ärgers nicht (vgl. Stamm 2003: 449). Nebst dem, dass die permanente Musikbeschallung für viele Menschen ein Ärgernis ist, wird der Musik durch ihre Omnipräsenz im Alltag der Menschen das besondere Moment genommen. Auch eine Flucht in eine andere, alternative Welt der musikalischen Empfindsamkeit ist nicht mehr so leicht möglich, wenn die Musik allgegenwärtig geworden ist, es vor ihr quasi kein Entkommen mehr gibt. Wenn Musik omnipräsent ist, taugt sie nicht mehr als symbolisches Material zur Konstruktion einer alternativen oder Gegenwelt.
Die präsentative Symbolik der Musik
Die Kommunikation der Jugend ist in ihren Grundzügen abseits der diskursiven Symbolik und Logik angesiedelt. In ihrem Zentrum stehen das Bild und dessen „präsentative Symbolik“ (vgl. Langer1984: 86ff.). Jugendkommunikation argumentiert nicht, versucht nicht, durch diskursive Sprachspiele zu überzeugen. Vielmehr setzt sie auf die Verführungskraft des Bildes, auf die Kraft der Verlockung von Ritualen und Inszenierungen. Somit sind die Jugendkulturen in ihrer Mehrheit nicht Kulturen, in denen es um die sprachliche Vermittlung von Denkprozessen geht, sondern Kulturen des Verstehens und Einfühlens. Weite Bereiche der Jugendkultur sind eskapistische, neoromantische Gefühlskulturen.
Typisch dafür im Feld der Musik-Kulturen ist die neoromantische Gothic-Szene. Die Gothic-Szene ist von Menschen geprägt, die sich kreativ-künstlerisch verwirklichen wollen. Hier wird viel gelesen, von der postmodernen Fantasy-Literatur bis zu E. T. A. Hoffmann, der eine oder die andere schreibt Gedichte, es wird romantische Musik von The Cure oder Within Temptation gehört, die Vergangenheit ist vielen wichtiger als die Zukunft: Mit großer Hingabe beschäftigt man sich mit dem Mittelalter und entsprechend
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