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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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Musik in der Gesellschaft hingewiesen. Wie keine andere Kunstform kann Musik durch ihren ästhetischen Code die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen auf der Bühne des alltäglichen Lebens zum Ausdruck bringen: „Wenn z. B. nichts eindrucksvoller die eigene ‚Klasse‘ in Geltung setzen hilft, nichts unfehlbarer auch die eigene ‚Klassenzugehörigkeit‘ dokumentiert als der musikalische Geschmack, dann deshalb, weil es auch (…) keine Praxis gibt, die annähernd so klassifikationswirksam wäre wie Konzertbesuch oder das Spielen eines ‚vornehmen‘ Musikinstruments.“ (Zitiert nach ebd.: 34)
    Zudem wird Musik, die sich am Markt gut verkauft, vom traditionellen bürgerlichen Kulturbetrieb mit äußerster Skepsis beurteilt. Ganz im Sinne der alten Musiktheorie wird Musik, die für den Markt produziert wird und die noch dazu unterhält, nicht als wertvoll erachtet. An diesen traditionellen musikästhetischen Beurteilungskriterien, denen das Konzept einer autonomen Kunstmusik zugrunde liegt, orientiert sich noch heute die Subventionspolitik der europäischen Regierungen. So wird in erster Linie nicht die massenwirksame, unterhaltende Popularmusik, sondern die nur für eine kleine Zuhörerschaft interessante „ernste“ Musik subventioniert. „Subventioniert wird in der Regel nicht Popularmusik, die offensichtlich vielen Menschen sehr wichtig ist, was sich daran zeigt, dass die Menschen bereit sind, ihr Geld beispielsweise für Konzertkarten auszugeben, sondern ausgerechnet die Musik, die für wert- oder anspruchsvoll gehalten wird, aber offenbar nur wenigen Menschen wichtig ist, denn die Besucherzahlen von Konzerten zeitgenössischer Ernster Musik sind erstaunlich niedrig.“ (Schormann 2006: 69) Zumindest für Deutschland wissen wir recht genau, dass 90 Prozent der Menschen in einer geistigen Welt leben, in der die Hochkultur und ihre Kunstmusik irrelevant ist (vgl. Maase, zitiert nach Fuhr 2007: 11). Ähnlich irrelevant wie die Kunstmusik für die Mehrheit der Bevölkerung ist die populäre Musik an den deutschen Hochschulen. In den Jahren 2006/2007 betrug der Anteil expliziter Thematisierung im gesamten Angebot der Musikwissenschaften lediglich 13 Prozent (vgl. ebd.: 12).
    Musik als populärkulturelles Kapital
    Die historische Musikwissenschaft stellte bei ihrer Analyse das Werk und den Künstler als Schöpfer des Werks in den Mittelpunkt. Im Gegensatz dazu stehen die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Großbritannien aufkommenden Cultural Studies . Für die VertreterInnen der Cultural Studies liegt der Signifikat eines kulturellen Produktes außerhalb seines Textes, d. h. entscheidend für die Bedeutung eines hochkulturellen oder populärkulturellen Textes ist nicht alleine der Autor. Viel wichtiger sind der Rezipient und der sozio-ökonomische Kontext, in dem dieser sich befindet. Auf das Phänomen der populären, jugendkulturellen Musik übertragen, bedeutet das nun, dass die jugendlichen Rezipienten bei ihrem Umgang mit „ihrer“ Musik eine aktive Rolle einnehmen und keinesfalls lediglich passive Opfer einer übermächtigen Kulturindustrie sind, die sie nicht nur ökonomisch ausbeutet, sondern auch noch im Sinne der Aufrechterhaltung der ideologischen Hegemonie der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung herrichtet und manipuliert.
    Schon in den 1980er Jahren hat ein Vertreter der Cultural Studies, John Fiske, anhand der Aneignung des Mode- und Musikstils der kommerziellen Pop-Ikone Madonna durch junge Frauen aufgezeigt, wie diese den Bekleidungsstil und die Attitüde eines kulturindustriellen Produktes verwenden, um „eine sexuelle Identität zu finden, die im Sinne ihrer eigenen Interessen gestaltet erscheint und weniger im Interesse des dominanten Männlichen“ (Fiske 2003: 106f.). Die aktiven jungen Konsumentinnen bemächtigen sich also der Artefakte der Kulturindustrie und geben diesen die Bedeutung, die in ihrem Interesse ist. „Sie [die jungen Frauen; d. V.] erschaffen ihre eigenen Bedeutungen aus den ihr zur Verfügung stehenden symbolischen Systemen, und indem sie deren Signifikanten verwenden und deren Signifikate zurückweisen oder lächerlich machen, demonstrieren sie ihre Fähigkeit, ihre eigenen Bedeutungen herzustellen.“ (Ebd.: 112)
    Jugendliche verwenden also Elemente aus popkulturellen Diskursen und popkulturelle Artefakte, um eine eigenständige, unverwechselbare Identität zu konstruieren, und entwickeln mit Hilfe der Popularkultur auch Formen der

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