Performer, Styler, Egoisten
stilisierten historischen Rollenspielen. Neben den vergangenheitsorientierten Romantikern findet sich in der Gothic-Szene auch eine Fetisch-Strömung, deren AnhängerInnen sich in körperbetonten, sexuell konnotierten Lack- und Lederoutfits präsentieren. Sexualität wird fantasievoll inszeniert und mit Hilfe von Fetisch-Outfits auch in sexuell weitgehend neutralisierten Alltagssituationen thematisiert. Die Mitglieder der Szene haben eine hohe Kompetenz, wenn es um modische Selbstinszenierung geht. Die Szene ist geprägt von einer ästhetischen Lebensweise, im Rahmen derer es sich als tägliche Aufgabe stellt, innere Zustände mit Hilfe einer ästhetischen Symbolik in der Außenwelt wahrnehmbar zu machen.
Die amerikanische Philosophin Susanne K. Langer hat zwischen zwei Modi des Symbolischen unterschieden: der präsentativen und der diskursiven Symbolik. Während es im Modus der diskursiven Symbolik um die logische Vermittlung von in Sprache gefassten Denkprozessen geht, verweist der Begriff der präsentativen Symbolik auf einen Symbolismus, „der unserem rein sensorischen Sinn für die Formen entspringt“ (ebd.: 99).
Die Musik lässt sich in den Kontext der „präsentativen Symbolik“ einordnen und spielt dementsprechend eine wichtige Rolle in der auf Intuition, nicht-begriffliche Kommunikation und ästhetische Selbstinszenierung aufbauenden postmodernen Jugendkultur. Denn die Musik wirkt sinnlich unmittelbar und wird intuitiv verstanden (vgl. Baacke 1997: 54). Sie gehorcht nicht den Regeln sprachlicher Diskursivität. Vielmehr wirkt sie auf den Menschen, indem sie dessen Körper direkt erfasst, Emotionen und Affekte auslöst und am Ende sogar dazu in der Lage ist, die Auflösung der menschlichen Individualität im Rausch vorübergehend zu bewirken.
Die beliebtesten Musikgenres
Seit den 1980er Jahren zeigen sich in der populären Kultur deutliche Tendenzen der Ausdifferenzierung. Die neue Unübersichtlichkeit, die Jürgen Habermas für Politik und Gesellschaft postulierte, hat längst auch die Jugendkultur erfasst. Unterhalb des musikindustriellen Mainstreams, der über Spartenkanäle wie MTV, VIVA und populäre Radiostationen vermittelt wird, tut sich ein breites Feld an Musikstilen, MusikproduzentInnen, Labels, Künstleragenturen, Webcommunitys, Spartenradios etc. auf. Alle jene Jugendlichen, denen die gecasteten Superstars von Dieter Bohlen & Co. nicht genügen – vor allem aber die aus den bildungsnahen Schichten –, steigen in den häufig über das www kommunizierenden musikalischen „Underground“ ein, in dem ein oft wirres Nebeneinander von Stilen und Interpreten einen undurchschaubaren Markt geschaffen hat, „auf dem sich neben den wenigen Chart-Künstlern auch tausende Independent-Labels tummeln, deren Angebot von versierter Electronica über Post-Punk bis zum Songwriter-Folk reicht“ (Büsser 2007: 31). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Krise der Musikindustrie vielleicht nicht doch eher auf das Abwandern der anspruchsvolleren HörerInnenschaft in diese Nischen zurückzuführen ist als auf das illegale Kopieren von Musik im www.
Zudem ist die postmoderne Popkultur heute stark lokal geprägt. Sie ist dezentral geworden und gleichzeitig international vernetzt, und zwar nicht aufgrund von Musikfernsehen und anderen Medien aus der Sphäre der „mediatisierten Quasi-Interaktion“ (vgl. Fuhse/Stegbauer 2011), sondern aufgrund des Internets und des Web 2.0. Und so treffen wir im Netz „auf HipHop-Gruppen aus St. Gallen, die in Schweizerdeutsch rappen und sich zugleich von ausländischen Künstlern remixen lassen, wir treffen auf Plattenlabels, die gar keine Tonträger mehr veröffentlichen, sondern ihr komplettes Programm als Download zur Verfügung stellen, wir finden Heavy Metal aus Tel Aviv und neuerdings Punk aus China“ (Büsser 2007: 32).
Vor einer dermaßen unübersichtlichen und über weite Strecken kleinteiligen Genrelandschaft muss die quantitative Sozialforschung kapitulieren. Erfassbar erscheint lediglich der mit Hilfe von großem medialen Druck vermittelte Mainstream, das große Feld des quantitativ wahrscheinlich tatsächlich schon weitaus relevanteren „Undergrounds“ muss weitgehend im Dunklen bleiben.
Betrachten wir trotz dieser methodischen Vorbehalte das Musikgenre-Interesse der österreichischen Jugend quantitativ (für Deutschland ergeben sich ähnliche Werte), so zeigt sich, dass die beiden indifferenten und vieldeutigen Begriffe „Pop“ und
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