Performer, Styler, Egoisten
„Rock“ die größte Zustimmung erreichen, wenn man Jugendliche nach ihrer Musikpräferenz fragt. Eine mögliche Interpretation dieses Ergebnisses besteht darin, dass sich hinter diesen Begriffen in erster Linie die indifferenten MainstreamhörerInnen sammeln, d. h. die Gruppe jener jungen Menschen, die sich im Prinzip eigentlich wenig für Musik interessieren, für die Musik nicht mehr ist als das Hintergrundgeräusch ihres Alltagslebens.
Ein Drittel der 11-19-jährigen ÖsterreicherInnen zählt House zu seinen Lieblingsgenres. House ist damit die gegenwärtig quantitativ größte musikkulturelle Mainstreamerscheinung. Unter dem Begriff „House“ firmiert im weitesten Sinne alles das, was in der Mainstream-Club- und Diskotheken-Kultur abgespielt wird. Auch noch immer bedeutsam, aber bei weitem nicht mehr so wie vor fünf Jahren, ist das Black-Music-Segment mit internationalem HipHop und Soul. In diesem Interessensfeld sammeln sich vor allem weibliche Jugendliche und Jugendliche aus bildungsfernen, urbanen Milieus. Ein Übergewicht unter den Bildungsschichten und den weiblichen MusikhörerInnen findet sich im Segment der Independent- und Alternative-HörerInnen. Circa ein Fünftel der unter zwanzigjährigen ÖsterreicherInnen verortet sich in diesem musikkulturellen Feld. Unter ihnen findet sich ein überproportional großer Anteil an FM4 -HörerInnen und Spex -LeserInnen. Interessant: Ca. 15 Prozent der Befragten hören auch Jazz und Klassik. Es ist naheliegend, dass dieses Segment sich vor allem aus Angehörigen aus dem Milieu der urbanen, bildungsnahen Mittelschichten zusammensetzt. Es ist aber auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die dichotomische Trennung zwischen U-und E-Musik in Auflösung begriffen ist, dass zumindest die Grenzen zwischen diesen Genres poröser werden. Anstelle eines auf soziokulturelle Distinktion und Gruppenzugehörigkeit gerichteten „Entweder/oder“ scheint ein durch größeren Musikverstand und größere musikkulturelle Offenheit geprägtes „Sowohl/als auch“ zu treten (vgl. tfactory 2011a).
Musik und Politik
In den 1960er Jahren war die Popkultur noch revolutionär. Selbst die eher angepassten Beatles sangen über die Revolution. Die Popkultur und ihre Musik dienten den aufbegehrenden Jugendlichen als Lebensmodell zur Abgrenzung gegenüber einer als überkommen und verbraucht empfundenen Gesellschaft (vgl. ebd.: 26). Und die Popmusik war ein Symbol des linken Protestes, wichtiger für die antiautoritäre Bewegung als alle linken Theorien und Theoriezirkel. Klaus Theweleit, Kulturwissenschafter und aktiver Zeitzeuge der ’68er Revolte: „Popmusik war natürlich zuerst da. Die blauen Bände [Marx-Engels-Werkausgabe; d. V.] sind überhaupt nicht das Zentrum dessen, was sich Ende der 60er Jahre links nennt oder links wird. Das ist die Zutat.“ (Zitiert nach ebd.: 25)
Die Jugendlichen lehnten sich gegen traditionelle Autoritäten auf. Im Zentrum der Kritik standen die totalen Institutionen, die „Einschließungsmilieus“, die den ganzen Menschen ohne wenn und aber zu erfassen versuchten, die Relikte einer nicht mehr zeitgemäßen Disziplinargesellschaft (vgl. Deleuze 2011: 5ff.). Vor allem Militär, Polizei, Erziehungsheime, psychiatrische Kliniken, Schulen, Universitäten und die bürgerliche Familie wurden grundsätzlich in Frage gestellt. Im Gegensatz zur restriktiven Triebökonomie der bürgerlichen Gesellschaft wurde ein gleichsam dionysisches Konzept des rauschhaften Auslebens von Triebbedürfnissen propagiert. Das zentrale Ziel der kulturrevolutionären Befreiungsideologie der 1968er war die Sexualität. Ziel ist es, das Realitätsprinzip durch das Lustprinzip zu ersetzen.
Diskutiert wurde in erster Linie untereinander, auf Vietnamkonferenzen und Teach-Ins. Die Auseinandersetzung mit der Mütter- und Vätergeneration wurde vor allem präsentativ-symbolisch geführt, mit konfrontativen, kreativen Aktionen, herausfordernden Outfits, langen Haaren, einem sexuell freizügigen Leben in Kommunen und nicht zuletzt mit provokanter Beat- und Rockmusik von Jimy Hendrix, den Beatles , den Rolling Stones und den Doors.
In der Nachfolge der ’68er Bewegung stehen Musikstile wie Punk und zum Teil auch HipHop. Auch sie repräsentier(t)en eine Haltung des Widerstandes gegenüber der herrschenden Macht und hegemonialen bürgerlich-kapitalistischen Diskursen. Popmusik als Trägerin einer Kultur des Widerstandes ist mit der Kommerzialisierung des Techno erledigt. Mit
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