Performer, Styler, Egoisten
definiert, sondern auch als Orte, an denen sich maßgebliche Kompetenzbildungsprozesse, sowohl was alltagspraktisch relevantes als auch berufspraktisch verwertbares Wissen und Fertigkeiten betrifft, ereignen können.
Viele UnternehmensgründerInnen im Bereich der musikkulturellen Nischenkultur oder aber auch MitarbeiterInnen der großen Musiklabels in Deutschland und Österreich haben einen großen Teil ihrer berufsrelevanten Kompetenzen ihrem Engagement im informellen Raum der Musikszenen zu verdanken. Trotzdem werden aufgrund eines von staatlichen Institutionen vertretenen „engen Qualifikationsbegriffs“, der nur die Qualifikationsnachweise aus formellen Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen akzeptiert, informelle Bildungsprozesse nach wie vor ausgeblendet. Möglicherweise liegt das daran, dass der populären Musikkultur als „nicht-legitime“ Kultur nicht jener Wert beigemessen wird, den hochkulturelle Institutionen wie Opernhäuser, Theater und Konzerthäuser und ihre Produktionen nach wie vor wie selbstverständlich genießen.
Freizeit als Zeit der Selbstbestimmung?
Die Freizeitorientierung Jugendlicher in der Marktgesellschaft
Jugend als lebenslange Aufgabe?
In der traditionellen Jugendforschung galt die Jugend als die Phase des Übergangs von der Kindheit ins Erwachsenenalter. Das Ende der Jugendphase war dann erreicht, wenn zentrale Entwicklungsaufgaben, wie eine gelungene berufliche Integration, die Erreichung der finanziellen und organisatorischen Unabhängigkeit vom Elternhaus, die erfolgreiche Familiengründung etc., gelöst waren. Bald stellte sich aber heraus, dass sich die Lösung von Entwicklungsaufgaben und die Gestaltung von Übergängen von der Kindheits- und Jugendphase zu entkoppeln begannen.
Übergangsphasen gelten heute als biographisch querverteilt, „begegnen den Menschen episodenhaft auf verschiedene Lebensabschnitte verteilt“ (vgl. Thole 2010: 727). So erfolgt die Familiengründung oft verspätet, wird in die mittlere biographische Lebensphase abgedrängt, oder sind Fünfzigjährige in Zeiten des lebenslangen Lernens plötzlich gefordert, sich in ein völlig neues Berufsfeld zu integrieren. Es gibt keine Garantie mehr dafür, dass Entwicklungsaufgaben ein für alle Mal gelöst und abgehakt werden können. So manche als gelöst betrachtete Aufgabe stellt sich plötzlich wieder in neuer Gestalt und unter neuen Rahmenbedingungen.
So wie die Jugendphase mit ihren Entwicklungsaufgaben nicht mehr eindeutig von einer Erwachsenenphase abzugrenzen ist, so gibt es auch keine jugendtypische Art und Weise mehr, seine Freizeit zu verbringen, die sich mit phänomenologischer Schärfe vom erwachsenen Freizeitverhalten abgrenzen ließe. Man trifft heute Fünfzigjährige auf einem Rockkonzert und die 45-jährige Mutter fährt mit ihrem zwanzigjährigen Sohn zum Snowboarden in die Alpen. Umgekehrt gehen Sechzehnjährige auch einmal gern in eine klassische Theateraufführung und der Vater ist vielleicht verwundert, wenn plötzlich aus dem Zimmer seiner jugendlichen Tochter Mahlers 8. Symphonie erklingt. Die Konturen zwischen den Generationen verschwimmen, werden undeutlich, vor allem, wenn es um kulturelles Verhalten und lebensstilistische, alltagsästhetische Praxen geht. Alles scheint sich beliebig zu vermischen, früher streng Getrenntes wird neu, oft auf eigenartige, ja skurrile Weise miteinander verbunden und alte Verbindungen lösen sich oder werden gelöst.
Freizeit – eine Erfindung der Moderne
Freizeit in der heutigen Form ist eine Erfindung der Moderne, „setzt sie doch die Trennung von verpflichtenden, zumeist durch abhängige, produktionsfunktionale Erwerbsarbeit angefüllte oder schulisch gebundene Zeitkontingente sowie frei gestaltbaren Zeiteinheiten voraus“ (ebd.: 738). Was sich in den letzten 150 Jahren verändert hat, betrachtet man die quantitative Entwicklung der Kontingente an frei verfügbarer Zeit, sollen einige Beispiele verdeutlichen:
In den letzten 150 Jahren hat sich die jährliche Lohnerwerbsarbeitszeit der berufstätigen Jugendlichen von 3.929 Stunden im Jahr 1850 auf 1.600 Stunden in den 2000er Jahren mehr als halbiert.
Verfügten Jugendliche in den 1930er Jahren über 6 bis 10 Urlaubstage pro Jahr, so stehen ihnen in unserer Zeit mehr als dreimal so viele Urlaubstage zu.
Und SchülerInnen können gegenwärtig mit ca. 90 schulfreien Tagen planen. (Sämtliche Beispiele ebd.)
Seit drei Jahrzehnten weist die frei gestaltbare Zeit für Jugendliche ein
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