Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
Vom Netzwerk:
Kulturen, d. h. Kulturen, die das sinnlich Wahrnehmbare in den Mittelpunkt stellen. Diese Jugendkulturen sind jedoch mehrheitlich nicht grob sinnlich. Es sind Kulturen, die das Sinnliche kultivieren, denen eine Tendenz zu Überformung, Überhöhung und Veredelung des Sinnlichen innewohnt (vgl. Welsch 1996: 25). Jugendkulturelle Gemeinschaften wie Styler, Skateboarder, HipHopper, Gothics, Punks etc. investieren viel Zeit und Energie in die Umsetzung eines genau festgelegten, nach teilweise komplexen Regeln definierten körperlichen und modischen Erscheinungsbildes.
    Dieser starke Bezug vieler Jugendkulturen zur Ästhetik des eigenen Selbst ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Jugendkulturen zum großen Teil Empfindungs- und Wahrnehmungskulturen sind. Ihre TeilnehmerInnen versuchen, einander über Strategien des Einfühlens und Verstehens nahe zu kommen. Über Körperbild und modische Inszenierungen werden Werte, Weltanschauungen und Lebensphilosophien symbolisch zum Ausdruck gebracht. Es geht dabei darum, sich der jugendkulturellen und der Gesamtöffentlichkeit mitzuteilen, indem man Bilder und ästhetische Gestaltungen anbietet, die zum Verstehen von persönlichen Identitäten und Images über die visuelle Wahrnehmung einladen.
    Freizeit und posttraditionelle Gemeinschaftsformen
    Die Freizeit vieler Jugendlicher spielt sich zunehmend außerhalb von traditionellen Institutionen ab. Wenn sie im Entwicklungsverlauf vom Kind zum Jugendlichen die erste Möglichkeit sehen, brechen sie häufig aus traditionellen Strukturen aus und wenden sich informellen, posttraditionalen Gemeinschaftsformen zu (vgl. Hitzler u. a. 2005). Posttraditionale Gemeinschaftsformen nehmen mehr Rücksicht auf die Freiheits- und Selbstverwirklichungsbedürfnisse des Individuums. „Der entscheidende Unterschied dieser (…) Vergemeinschaftungsangebote gegenüber herkömmlichen Gesellungsformen besteht im Wesentlichen darin, dass die Teilhabe an ihnen nicht mit den in traditionalen und traditionellen Gemeinschaften üblichen Bindungen und Verpflichtungen einhergeht.“ (Hitzler u. a. 2008: 55)
    Schon seit den 1960er Jahren wissen wir, dass sich die Freizeit der Jugendlichen verstärkt aus der institutionellen Gebundenheit heraus und in informelle, offen strukturierte Gruppenkontexte hinein verlagert. Entscheidende Auslöser für diesen Prozess sind die Erhöhung des Lebensstandards, die Zunahme der arbeitsfreien Zeit, die Angebotsexplosion am Konsumgütermarkt und das Entstehen eines Erlebnismarktes gewesen (vgl. Schulze 2005). Genau in dem Zeitraum, als sich diese grundlegenden sozioökonomischen Veränderungen zum ersten Mal stark manifestierten, also zwischen den 1960er und den 1980er Jahren, zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Integration von Jugendlichen in informelle Netzwerke. Gaben im Jahr 1964 50 Prozent der deutschen Jugendlichen an, ihre freie Zeit regelmäßig oder öfter in informellen Freundesgruppen zu verbringen, so waren es im Jahr 1984 bereits 75 Prozent (Krüger 1993: 461f).
     
    Die Freizeit ist für Jugendliche auch eine Zeit, in der sie sich der Kontrolle durch Erwachsene und pädagogische Institutionen entziehen wollen (Schäfers/Scherr 2005: 146). Die fernab der Erwachsenenkontrolle stattfindenden posttraditionalen Formen der Vergemeinschaftung, für die sich im jugendsoziologischen Kontext die Bezeichnung „Szene“ eingebürgert hat, bieten eine gute Möglichkeit, das eigene Leben unabhängig von Erwachsenen aktiv zu gestalten, emotional befriedigende Erlebnisse zu haben und sich kreativ unter Verwendung jugendkultureller Symboliken selbst zu inszenieren. Dementsprechend kann es kaum verwundern, dass die Mehrheit der Jugendlichen den Wunsch hat, dort möglichst viel Zeit verbringen zu können (vgl. Schäfers/Scherr 2005).
    Die Jugendszenelandschaft heute
    Die Szenelandschaft stellt sich heute vielfältig und breit ausdifferenziert dar. Die gesamte Szenewelt ist ständigen Wechseln und permanenten Wandlungen unterworfen, wobei man aber sagen kann, dass vor allem quantitativ bedeutende Szenen oft über lange Zeiträume hinweg in ihren organisatorischen Grundstrukturen und ästhetischen Basismustern stabil bleiben. Dies hängt nicht zuletzt mit den wirtschaftlichen Interessen großer Consumer-Marken zusammen, die aufgrund ihrer quantitativen Marktbedeutung diese Szenen mit gewaltigem PR- und Werbeaufwand so lange am Leben halten, so lange man mit ihrer Hilfe gute Profite erzielen kann.
    In Österreich und in Deutschland

Weitere Kostenlose Bücher