Performer, Styler, Egoisten
konstantes Niveau auf. Im Durchschnitt können Jugendliche an Werktagen über vier bis acht Stunden Freizeit verfügen, an Samstagen über 8 und an Sonntagen über 10 Stunden. Es zeigt sich aber auch, dass die Jugend an der Verkürzung der wöchentlichen und jährlichen Arbeitszeit der zurückliegenden 20 Jahre nicht mehr partizipieren konnte (vgl. ebd.).
Freizeit als Zeit der Selbstbestimmung
Freizeit ist für Jugendliche eine Zeitspanne, in der sie die Chance zur Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung haben (vgl. Ferchhoff 2007: 326ff). Freizeit ist damit vor allem eine Zeit, in der relativ uneingeschränkt erlebt und gelebt werden kann. Durch ihre relative Freiheit grenzt sich die Freizeit von der meist fremdbestimmten Berufs- und Lernzeit ab. Freizeit wird von vielen Jugendlichen vor allem dazu genutzt, um sich der Kontrolle durch Eltern und pädagogische Institutionen zu entziehen (Schäfers/Scherr 2005: 142). Im Vergleich zur Berufs- und Lernzeit sind die sozialen Zwänge und die normativen Erwartungen in der Freizeitsphäre bei weitem nicht so groß (Hurrelmann 2005: 135ff). In der Freizeit können sich Jugendliche frei fühlen. Sie ist ein Zeitraum, in dem autonom und selbstbestimmt gehandelt werden kann, in dem experimentelles Handeln bis hin zum Normen- und Tabubruch möglich ist. Obwohl es in der auf Sensationen gerichteten Medienberichterstattung häufig anders erscheint, gehören aber Tabubruch und Subversion nicht mehr zu den wichtigsten Handlungsmotiven und Zielen der postmodernen Jugendkulturen. Die Jugend der Gegenwart erscheint im Vergleich mit ihren AltersgenossInnen der 1960er, 1970er und 1980er Jahre stiller, unauffälliger und angepasster, und die Folge ist, dass auch ihr Freizeitstil weniger aufbegehrend, widerständig und herausfordernd ist (Großegger/Heinzlmaier 2007: 28).
Jugendliches Freizeitverhalten unter marktgesellschaftlichen Bedingungen
Die fortschreitende Unterordnung der Gesellschaft unter den Markt und seine Gesetzmäßigkeiten hat tiefe und weitreichende Auswirkungen auf die moralischen und kulturellen Rahmenbedingungen, unter denen das Alltagshandeln junger Menschen stattfindet. So werden auch in den Peergroups und den juvenilen Szenen ökonomische Erfolgskriterien zur Grundlage des Erwerbs von sozialen Positionen und dem Aufbau von Prestige. Damit wird der Freizeit der kulturelle Stempel der Leistungsgesellschaft aufgedrückt. Nunmehr hat auch das Handeln der jungen Menschen in der Freizeit der ökonomischen Logik des kapitalistischen Steigerungsspiels zu folgen. Immer weiter, immer größer, immer höher ist das Grundprinzip der marktwirtschaftlichen Freizeit- und Erlebnisgesellschaft (vgl. Schulze 2004).
Wer ist der „Styler“, der am besten performt? Wer hat das schnellste Auto? Wer kann die besten Tricks auf dem Snowboard? Wer hat die meisten Freunde auf facebook? Wie in der Konkurrenzkultur der Arbeitswelt muss es nun auch in der Freizeitwelt ein Oben und ein Unten, ein Drinnen und ein Draußen, GewinnerInnen und VerliererInnen geben. Und genau so wenig wie in der Arbeitswelt wird damit in der Freizeit solidarisches und gemeinschaftsorientiertes Handeln positiv sanktioniert. Im Gegenteil, wer den anderen übertrumpft, aus dem Feld schlägt, wer ein Gewinner ist, der ist der Gute. Und der einfühlsame, empathische, uneigennützige, egalitäre Menschenfreund gibt die Vorlage für den ewigen Loser ab. In der hochgradig wettbewerbsorientierten Freizeitsphäre geht es in erster Linie um die perfekte Self-Performance und außergewöhnliche, einzigartige Erlebnisse von hoher Intensität. Der Wert dessen, was man erwirbt und erlebt, sei es noch so intensiv und außergewöhnlich, verfällt aber in dem Augenblick, in dem man es in Händen hält oder in dem es geschieht. Die Fähigkeit zum Ankommen, zur Zufriedenheit mit dem Erreichten, ist der Jugend verloren gegangen. Die Verantwortung dafür tragen die Erwachsenen. Eltern haben es ihren Kindern, LehrerInnen ihren SchülerInnen und PolitikerInnen ihren WählerInnen beigebracht, förmlich eingehämmert: In der Leistungs-, Konkurrenz- und Erlebnisgesellschaft darf man sich niemals mit dem zufrieden geben, was man gerade erreicht hat. Nach vorne schauen, Grenzen nicht akzeptieren, sie, wenn es geht, überschreiten, ständig auf der Suche nach dem Neuen sein und das Alte so schnell wie nur möglich vergessen, das ist die Grundhaltung, die in einer Marktgesellschaft belohnt wird.
Die Jugend kopiert und perfektioniert
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