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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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ökonomischer Prinzipien und deren Einschreibung in die Diskurse unterschiedlichster Praxisfelder liefert auch der gerade in letzter Zeit wieder aufflammende Versuch, die Körperpraxen der Menschen dem ökonomischen Nutzendiktat zu unterwerfen. Der menschliche Körper ist dafür prädestiniert, ins Visier auch der einfachen Geister und Propagandisten des neoliberalen Nutzendenkens zu geraten. Einer der kleinen Ideologen, in deren Argumenten sich die ökonomistischen Prinzipien des Neoliberalismus widerspiegeln und der das ökonomische Paradigma unverhohlen gegen eine individuelle, selbstbestimmte Körperpraxis der Menschen in Stellung bringt, ist der Tiroler Bodybuilding-Consultant Dr. Kurt Moosburger. Er fordert eine „Dickensteuer“, um die durch Übergewicht verursachten Kosten im Gesundheitswesen auf diese Weise refinanzieren zu können, und erntet damit durchaus Zustimmung in Teilen der Politik. „‚Eine Diskussion über eine Dickensteuer ist längst fällig‘, meint Sport- und Ernährungsmediziner Kurt Moosburger, der sich für mehr Aufklärung und Bewegung einsetzt. Denn Adipositas kostet uns jährlich laut Apothekerkammer bis zu 1,1 Mrd. Euro.“ ( http://www.oe24.at/oesterreich/chronik/Experten-fordern-
Dicken-Steuer/21914188 , 24. April 2011) Vor dem Hintergrund solcher, von einzelnen politischen Entscheidungsträgern wohlwollend zur Kenntnis genommenen Forderungen entlarven sich politische Diskurse, die von der zunehmenden körperlichen Selbstbestimmung des Menschen handeln, als PR-Manöver mit geringem Wahrheitsgehalt. Denn im Gegensatz dazu geht es offensichtlich heute mehr denn je um die Unterwerfung der individuellen Körperlichkeit des Menschen unter das Diktat eines sich als Gemeininteresse ausgebenden ökonomischen Nützlichkeitsdiskurses.
     
    Wenn wir über Fragen der Ethik und der Moral diskutieren wollen, ist es notwendig, einige Schlüsselbegriffe zu klären, in unserem Kontext vor allem die Begriffe „Wert“ und „Norm“. Die Diskussion über Werte, Wertewandel und Werteverlust taucht in Zeiten der Unsicherheit und der starken Strukturumbrüche häufig auf. Gerade in solchen Perioden verlangen die Menschen nach allgemeinen, immer und überall gültigen moralischen Grundsätzen, um durch sie wieder klare ethische Orientierungen und praktisch nützliche Weltdeutungskriterien zu haben.
    Einer der wichtigsten Wertetheoretiker der Gegenwart ist der deutsche Soziologe Hans Joas. Er unterscheidet zwischen Werten und Normen. Für Joas stehen im Mittelpunkt des Wertebegriffs „attraktiv-motivierende“ Momente, während der Charakter der Norm „restriktiv-obligatorisch“ ist (vgl. Joas 1999: 288). Dies bedeutet, dass Werte immer auf ein Sollen gerichtet sind und damit eine für die Gesellschaft als Ganzes, aber auch für einzelne kleine Gemeinschaften Regulierungs- und Orientierungsfunktionen haben, „die auf die Einsicht der Menschen, auf ihre Selbstbindung und Selbstverpflichtung zählen“ (Fenner 2010: 7). Im Gegensatz dazu sind Normen verbindliche Regelungen, deren Übertretung Rechtsverletzungen darstellen, die zum Beispiel durch die staatliche Gerichtsbarkeit negativ sanktioniert werden können.
    Ganz im Kontext der Definition von Joas steht auch der amerikanische Strukturfunktionalist Talcott Parsons. Für ihn drücken Werte keine Wünsche aus, sondern das, was wünschenswert ist. „A value is not just a preference but is a preference which is felt and/or considered justified.“ (Zitiert nach Joas 1999: 32) Normen sind für Parsons Spezifizierungen von allgemeinen Werten, die sich verbindlich auf bestimmte Handlungssituationen beziehen, d. h., Normen sind im Gegensatz zu Werten nicht allgemeingültig, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte soziale Konstellation relevant (vgl. ebd.: 32ff.). Auch bei Jürgen Habermas ist die Unterscheidung zwischen Werten und Normen in erster Linie eine Frage der Reichweite ihrer Gültigkeit. Für Habermas haben Werte, im Unterschied zu Parsons, nur eine eingeschränkte Gültigkeit. Diese beschränkt sich auf eine bestimmte kulturelle Gemeinschaft und erscheint dort in der Form von Riten und Ritualen. Im Gegensatz dazu sind bei Habermas Normen Pflichten von universeller Gültigkeit. Eine typische universelle Norm sind die Menschenrechte. Sie gelten überall, über alle kulturellen Grenzen hinweg (ebd.: 33).
    Aber noch ein wichtiger Aspekt der Habermas’schen Werte- und Normendiskussion ist hervorzuheben. Für Habermas sind Normen nicht von ewiger

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