Performer, Styler, Egoisten
machen, halten sie Distanz, sie nutzen die Kontakte nur dann, wenn sie sie brauchen. In der Regel verwenden sie die Bekannten als anonyme statistische Masse zur Erhöhung des eigenen Ansehens.
Die Werte der Wiener Jugend und der Fall Strasser
„Self-regarding virtues“ sind auch das zentrale Antriebsmoment, die basale Motivation vieler AkteurInnender Politik geworden. Das zeigen aktuelle Politikskandale rund um Ernst Strasser, Karl Heinz Grasser und den PR-Unternehmer und Politikberater Peter Hochegger (zu allen diesen siehe die entsprechenden Wikipedia-Chroniken). Ihr Handeln spiegelt Gemeinschaftsorientierung lediglich vor, wirklich getragen ist es vom puren Egoismus. Gemeinschaftstugenden sind bei Strasser und Co. als Handlungsmotive abwesend. An ihre Stelle tritt eine Grundorientierung, die von einem hedonistischen Egoismus geprägt ist, hinter den die Realitätserfordernisse der Gemeinschaftlichkeit zurückzutreten haben.
Dementsprechend gering ist das Vertrauen der Jugend in die Politik, wie eine Studie des Instituts für Jugendkulturforschung am Beispiel 16-19-jähriger WienerInnen zeigt. Lediglich eine Minderheit von 5 Prozent hat noch großes Vertrauen in die Politik. Vor allem bei den männlichen Jugendlichen ist das Misstrauen groß. Bei den jungen Frauen ist der Anteil derer, die noch über ein diffuses Grundvertrauen ins Parteiensystem verfügen, höher (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Vor allem die „Cash-for-Laws“-Affäre um den EU-Parlamentarier Strasser wurde von vielen Jugendlichen als eine große politisch-moralische Erschütterung erlebt. Insbesondere die Angehörigen der Bildungsschichten sind moralisch sensibel. 80 Prozent dieser Gruppe meinen nun, dass Leute wie Ernst Strasser in der Politik nichts verloren haben. Angehörige von bildungsferneren Milieus zeichnen sich durch eine geringer ausgeprägte moralische Sensibilität aus. Gerade einmal 50 Prozent sprechen sich dezidiert gegen einen Politikertypus, wie ihn Strasser repräsentiert, aus. Teile der anderen 50 Prozent bewundern sogar insgeheim erfolgreiche Gauner und Durchstecher wegen ihrer Coolness und ihres unverhohlenen Egozentrismus. Sie meinen, dass in solchen Personen die wahre Natur des Menschen (des Mannes?) zum Ausdruck käme. Es wäre zu fragen, auf den Einfluss welcher Sozialisationsinstanzen diese asozialen Ideale zurückgehen, Elternhaus, Schule, Arbeitsplatz, Medien, um die wichtigsten zu nennen, die zu dermaßen offensiv vorgetragenen positiven Bewertungen von asozialen Verhaltensweisen führen. Das Fatale am Fall Strasser besteht aber nun vor allem darin, dass die Jugendlichen ihn als pars pro toto sehen. Sie schließen vom Einzelfall auf das Ganze der Politik: 50 Prozent der Befragten meinen, dass Ernst Strasser typisch für die gesamte PolitikerInnenklasse sei.
Es zeigt sich, dass der Fall Strasser fatal für das Ansehen der Politik insgesamt ist. Gerade deshalb, weil es Strasser verstand, sich vor dem Skandal ein Saubermannimage aufzubauen, indem er sich als Volkstribun und Ehrenmann inszenierte. Aufgrund der großen Fallhöhe und der großen Differenz zwischen dem alten Schein und der neuen Wirklichkeit hat sein abrupter Absturz eine besonders starke Wirkung, die das Ansehen der Politik in einer Form schädigt wie schon lange kein Skandal mehr davor. Die negative Wahrnehmung des Falles Strasser ist auch deshalb so dramatisch, weil sich durch die über das Internet für jeden zugänglichen, mit geheimer Kamera aufgenommenen Videodokumente die moralische Verworfenheit und Kaltschnäuzigkeit der Vorgehensweise des Ex-Ministers in aller Authentizität zeigt. Durch die Videoaufnahmen wurde das, was sonst mutmaßlich hinter verschlossenen Türen passiert, ungeschminkt auf die Bühne der Öffentlichkeit gestellt.
Politik im Zeichen des hedonistischen Egoismus?
Einen weiteren Aspekt gilt es noch näher zu beleuchten. Er betrifft die Position der bildungsfernen Schichten zum Thema unmoralisches Handeln in der Politik. Wie die Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zu den Werten der 16-19-jährigen WienerInnen zeigt, findet der von Michael Stocker in die Diskussion eingeführte Typus des „hedonistischen Egoisten“, der sich dadurch auszeichnet, dass er in seiner eigenen Lust die einzige Rechtfertigung seines Handelns sieht, unter einem großen Teil der bildungsfernen Jugend Akzeptanz (Institut für Jugendkulturforschung 2011). Ist man selbst nicht in der Lage, sich in der Rolle des hedonistischer
Weitere Kostenlose Bücher