Performer, Styler, Egoisten
und durchsetzen. Tugenden übt man aus, Normen wendet man an, Befehle werden vollzogen; aber die Werte werden gesetzt und durchgesetzt. Wer ihre Geltung behauptet, muss sie geltend machen. Wer sagt, dass sie gelten, ohne dass ein Mensch sie geltend macht, will betrügen.“ (Schmitt 2011: 41) Und weiter argumentiert Schmitt, dass jeder höhere Wert den Drang hat, den niedrigeren Wert zu unterwerfen, und der Wert als solcher danach trachtet, den Unwert zu vernichten. Im Kern vertritt Schmitt die Auffassung, „dass die ganze Wertlehre den alten, andauernden Kampf der Überzeugungen und der Interessen nur schürt und steigert“ (Schmitt 2011: 49).
Gut in den Kontext dieser Argumentation passt, dass es in unserer Gegenwart in erster Linie missionierende Religionen sind, also solche, die gezielt versuchen, ihren spirituellen und weltlichen Einflussbereich auszudehnen, die den Wertebegriff und die Werteforschung als strategisches Instrument benutzen. Ein Beispiel dafür, dass der Wert ein moralischer Kampfbegriff ist, der immer auch auf einen Unwert verweist, der vernichtet werden muss, stellt die Aussage des neuen Papstes Franziskus dar, in der er die Ehe von Homosexuellen als ein Werk des Teufels bezeichnet. Im katholisch-christlichen Denken ist der höchste Wert Gott, der diesem Werte gegenüberstehende Unwert ist der Teufel. Mit seiner Aussage rückt der Papst homosexuelle Beziehungen in die Nähe des größten Unwertes den Christen kennen, in die Nähe des Teufels. Im Gegensatz dazu steht die heilige heterosexuelle Familie in einem Naheverhältnis zum höchsten Wert der Christenheit, zu Gott. Wie aggressiv die katholische Wertestrategie tatsächlich ist, zeigt sich daran, dass es für die Mehrheit der homosexuellen Paare nicht darum geht, von der Kirche anerkannt zu werden, sondern vom Staat. Auch in Argentinien, wo der Papst seinen Bannspruch über die Homosexuellenehe ausgesprochen hat, ging es nicht um das Ehesakrament der Kirche, sondern um die staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nach säkularem Recht. Keiner zwingt die katholischen Christen auf der ganzen Welt dazu, eine homosexuelle Beziehung einzugehen und diese vom Staat anerkennen zu lassen. Warum es aber auch all denen verweigern, die fern von der katholischen Ethik und Moral leben? Der Grund liegt in der Intoleranz, die dem Wertedenken prinzipiell und fundamental eingeschrieben ist. Denn wer Wert sagt, der will „geltend machen und durchsetzen“, und er will den andauernden Kampf bis zur endgültigen Durchsetzung seiner Überzeugungen und Interessen.
Heute sind Werte vielfach Gegenstand der Markt- und Meinungsforscher. Mit den Ergebnissen von Marktstudien wird versucht, die Verbreitung von Werten in der Bevölkerung zu objektivieren und damit bestimmten Werten Legitimität zu verschaffen. Ein stark umkämpftes Feld ist das der Zukunftswahrnehmung, denn die Zukunft ist der neue Götze einer gottlosen Zeit, die der Vergangenheit und ihren Traditionen kaum mehr eine Bedeutung beimisst. Vor auf Vermutungen gestützten, vor allem aber interessengebundenen Zukunftsentwürfen hat sich alles zu rechtfertigen, was heute getan und gesagt wird. Vielen Wertesetzern gemein ist das Bedürfnis, auf eine Jugend verweisen zu können, die optimistisch in die Zukunft blickt, denn eine zuversichtlich nach vorne blickende Jugend gilt als Beweis für die Richtigkeit der Gegenwart. Aber entgegen allem Wünschen und Wollen sind die Zukunftserwartungen der Jugend widersprüchlich, um nicht zu sagen inkonsistent und diffus. In der Soziologie spricht man vom „Optimismus-Pessimismus-Paradox“, wenn man die Zukunftsperspektive der heutigen Jugend diskutiert. Denn wir haben es mit einer Jugend zu tun, deren große Mehrheit (64 Prozent) der persönlichen Zukunft mit großer Zuversicht entgegensieht, unter der sich aber nur eine eklatante Minderheit (22 Prozent) findet, die der gesellschaftlichen Zukunft etwas Positives abzugewinnen in der Lage ist. Überspitzt formuliert sieht die Jugend in einer untergehenden Gesellschaft ihre persönlichen Interessen als durchaus verwirklichbar an. Eine wahrlich paradoxe Haltung. Zum „Optimismus-Pessimismus-Paradox“ passt auch, dass die Jugend insgesamt eine Tendenz zur Gesellschaftsskepsis und zum Gemeinschaftsoptimismus aufweist. Drei Viertel der Jugendlichen wollen sich in erster Linie für die engagieren, die ihnen nahe stehen, das Interesse an Politik als Repräsentation des großen gesellschaftlichen
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