Performer, Styler, Egoisten
traditioneller Organisationen und ihrer Weltanschauungen stark an bildungsferne Lagen gebunden ist, während die bildungsnahen Milieus schon jetzt weitgehend von traditionellen politischen und religiösen Diskursen entkoppelt zu sein scheinen. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen: Der überwiegende Teil der aufgeklärten Mittelschichten glaubt weder den PolitikerInnen noch dem Klerus auch nur ein Wort.
Wertedifferenzen zwischen soziokulturellen Milieus
Im Kontext eines durch religiöse Werte geleiteten Handelns zeigt sich im Vergleich von jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, dass sich 40 Prozent der jungen MigrantInnen von den Werten ihrer Religionsgemeinschaft leiten lassen. Unter den jungen WienerInnen ohne Migrationshintergrund tun dies hingegen nur 12 Prozent (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Die Bindung an traditionelle Werte und Institutionen birgt aber auch eine deutliche Stadt/Land-Differenz in sich. Empirische Analysen machen deutlich, dass Wertewandel und Werteverschiebung in den Städten weiter vorangeschritten sind als auf dem Land. Ein gutes Beispiel ist die Einstellung der jungen ÖsterreicherInnen zur Wehrpflicht. In Wien treten zwei Drittel der 16-29-Jährigen für die Abschaffung der Wehrpflicht ein, in Oberösterreich lediglich knapp über 40 Prozent (vgl. tfactory 2011). Hinter dieser Differenz steht auch eine Wandlung in den vorgestellten Formen, wie Gemeinschaftsgefühl symbolisch und praktisch zum Ausdruck gebracht werden soll. Während im ländlichen Raum das Gefühl vorherrscht, einer von außen bedrohten Gemeinschaft anzugehören, die militärisch verteidigt werden muss, richtet sich das Wertedenken der urbanen Jugend an einem Gemeinschaftsengagement aus, das nach innen, also auf die Steigerung der inneren Qualität von Gemeinschaft gerichtet ist. Das relevante symbolische Zeichen für die Identifikation mit dem Vaterland ist für die ländliche Jugend nach wie vor die Uniform des Bundesheeres, während es für die städtische Jugend die Uniformen des Roten Kreuz, des ASB oder die Pflegermontur des Seniorenpflegeheims ist.
Bildungsnahe Schichten haben eine stärkere Affinität zu friedlichen Formen der Konfliktlösung. Dies wird offensichtlich gemacht durch eine 80-prozentige Zustimmung der 16-19-jährigen Wiener SchülerInnen und StudentInnen zur immerwährenden Neutralität Österreichs. Bei den Lehrlingen fällt die Zustimmung zur Neutralität deutlich geringer aus: Lediglich 50 Prozent befürworten sie. Im Gegensatz dazu meinen fast 30 Prozent der Lehrlinge, dass es für Österreich am besten wäre, in das militärische Verteidigungsbündnis NATO einzutreten. Daran wird der oben skizzierte Unterschied in Bezug auf Konfliktlösungsstrategien deutlich. Während bildungsnahe Schichten eher auf Diplomatie und Verhandlung setzen, stehen bildungsferne Milieus den militärischen Optionen der Konfliktlösung offener gegenüber (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Betrachtet man die Parteipräferenzen der 16-19-jährigen WienerInnen vor dem Hintergrund der Wertediskussion, so zeigt sich, dass die Bildungsschichten eher die Nähe jener Parteien suchen, die sich für postmaterialistische Wertorientierungen offen zeigen oder für Konzepte einer Wertesynthese zwischen Selbstverwirklichungswerten und Pflicht- und Akzeptanzwerten eintreten. Während die Grünen reine Postmaterialisten stark anziehen, ist die SPÖ für jene Gruppen attraktiv, die programmatische und praktische Versuche schätzen, materialistische und postmaterialistische Werte zu verbinden (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Im Gegensatz dazu stehen vor allem FPÖ und zum Teil auch ÖVP für jene Wählergruppen, die den Pflicht- und Akzeptanzwerten nahe stehen. Diese Wählergruppen, im Falle der FPÖ vor allem bildungsferne Schichten und bei der ÖVP das rechtskonservative städtische Bürgertum sowie die traditionsverbundene Landbevölkerung, vereinen ein hohes Sicherheitsbedürfnis mit der großen Angst vor Traditionsverlusten jeglicher Art. In beiden Gruppen herrscht ein großes kulturelles Identitätsbedürfnis mit Ausschließungscharakter vor. Man legt Wert darauf, dass klar zwischen einem kulturell „Richtigen“ und einem kulturell „Falschen“, zwischen einem kulturell „Drinnen“ und einem kulturell „Draußen“ unterschieden wird. Der aristotelische Altruismus ist vor allem im FPÖ-Milieu kaum verankert. Ansätze zu einer Wertesynthese im Sinne von Helmut Klages, die in
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