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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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»Und jetzt verrate mir, was du im Glockenturm gesucht hast.«
    »Die ungewöhnliche Bauweise erregte meine Neugier«, beharrte Elysa flüsternd.
    »Welch Laune des Zufalls! Zuerst Margarete und dann du?« Sein bitterer Atem drang an ihre Wange. »Ich weiß, wer du bist, Elysa von Bergheim, angetreten als Handwerkstochter, Anwärterin zur Jungfrauenweihe. Doch du bist nicht gekommen, um diesem Konvent beizutreten, du bist hier, weil der eigensinnige Kanonikus Clemens von Hagen sich für schlauer hielt als alle Prälaten des Mainzer Domkapitels zusammen. Was wird dein Brudersagen, wenn er von diesem Schauspiel erfährt? Magnus von Bergheim, tapferer Ritter unter des Kaisers Fahne, treuer Diener des Herrn? Er wird dich zerquetschen wie eine Traube in der Kelter.« Radulf riss ihren Kopf herum, so dass sie nun zur Turmtreppe sehen konnte. »Wenn du dich wie Anna den Turm hinabstürzt, nachdem nun dieser Frevel aufgedeckt wurde – wer würde es dir übelnehmen? Was bliebe dir auch anderes übrig? Keine Aufnahme im Kloster, keine Heimat in Mainz. In Bergheim ein Bruder, der sich vor Scham über deine Schande ereifert. Willst du hungrig und bettelnd durch die Wälder ziehen, auf der Flucht vor vagabundierenden Gestalten, die sich an jeder Frau vergehen, derer sie habhaft werden können?« Radulf lachte höhnisch. Sein warmer Atem strich über Elysas Gesicht. Sie hielt die Luft an, als er fortfuhr. »Die Qualen der die Seele marternden Sünde sind nicht minder stark wie die des Höllenfeuers.«
    Unvermittelt erklang eine Stimme hinter ihnen. »Habt Ihr das Anna auch eingeflüstert, nachdem Ihr sie geschändet habt?«
    Agnes – wie war sie unbemerkt zur Empore gekommen? Elysa atmete aus. Agnes, rettender Engel, gleichwohl des Mordes verdächtigt. In diesem Augenblick war es Elysa einerlei. Denn als die Priorin erschien, ließ Radulf von ihr ab.
    »Wer wagt es, derart Abscheuliches zu behaupten?«, fragte Radulf voller Zorn.
    »Humbert von Ulmen.«
    »Humbert von Ulmen ist ein Lügner. Hat ihn der Neid zu dieser Aussage getrieben?«
    »Der Neid ist ein Laster, das unser Seelsorger durch die Tugend der unermüdlichen Nächstenliebe vertreibt.« Agnes schüttelte den Kopf. »Wahrlich, eine schlechtere Verteidigung hättet Ihr nicht wählen können. Humbert von Ulmen ist kein Priester, der das Wort außerhalb des Dienstes zum Wohle des Herrn erhebt. Nun jedoch sah er es als seine Christenpflicht an, jenes Unrechtzu offenbaren, das ihn in der Erinnerung peinigte. Als er Anna dabei erwischte, die Blüte der Jungfräulichkeit an den jungen Handwerker Ditwin zu vergeben, war es ihm nicht möglich einzugreifen. Denn er sah, im Schatten des Hauses stehend, wie auch Ihr das Treiben beobachtetet. Kaum hatte Ditwin von Anna gelassen, seid Ihr herbeigeeilt, um Euch auf die Entehrte zu werfen, ohne ihr Flehen zu erhören. Ist es wahr, dass Ihr auch nicht von der Oblatin abließet, als sie das Bewusstsein verlor und auf der Erde lag?«
    Eine schreckliche Wahrheit trat hier zutage. Wahrheit über ein Ungetüm, das sie alle verschlingen würde, wenn es Elysa nicht gelänge, die anderen zu warnen. Wie lange konnte Agnes ihn hinhalten?
    Elysa sah zum Eingang des Turmes. Die Glocke – sie musste die Glocke läuten, die Schwestern warnen und gleichsam mit dem Ton der Posaune den Dämon erschrecken und ihn daran erinnern, dass es allein der Schöpfergott war, der diesem geweihten Metall Klang und Kraft verliehen hatte.
    Zitternd wich Elysa zurück und entfernte sich in Richtung des Glockenturmes.
    Währenddessen näherte sich Radulf der Priorin, aufrecht und mit dem bedrohlichen Fletschen eines angegriffenen Tieres. »Der Seelsorger spricht mit falscher Zunge! Er wird sich vor Gott für seine Lügen verantworten müssen.«
    Die Priorin blieb fest. »Wie groß ist solche Bosheit und feindselige Haltung, dass Ihr ewigen Lohn ohne Entsagung begehrt und verlangt, nach Heiligkeit zu klingen! Doch es ist leerer Schall, wenn der Teufel sagt: ›Ich bin gut und heilig.‹«
    »Und was ist mit Euch?« Radulf lachte heiser. »Ihr maßt Euch an, gut und heilig zu sein. Ihr wart es, die aus Hochmut und Machtbesessenheit ein Geheimnis verraten habt. Ihr wart es, die den Mönch erdrosselte, um an das Pergament zu kommen. Undnun wollt Ihr mir den Missbrauch an einer Einzelnen vorwerfen? Anna hätte sich geißeln können, um ihre Seele zu trösten. Niemand hat sie dazu getrieben, sich vom Turm zu stürzen.«
    Elysa hielt inne. Sie war bereits im Inneren des

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