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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Tier sich auf und brachte das Fährboot zum Schwanken, während Jakob, der Schiffer, sich nach Kräften bemühte, es im Gleichgewicht zu halten.
    »Haltet Eueren Gaul kurz!«, schrie er gegen das Rauschen des Flusses an. »Wenn der Kahn kippt, werden die Fluten uns augenblicklich verschlingen.«
    Noch einmal scheute das Pferd, stieß gegen den Schiffer, dem das Ruder aus der Hand glitt.
    Clemens straffte den Gurt und legte einen Arm um den Hals des unruhigen Tieres. »Ruhig«, flüsterte er beschwörend, gleichwohl sein ganzer Körper bebte. »Ganz ruhig.«
    Mit Hilfe der Stakstange hielt Jakob die Richtung, trieb den Kahn voran. Sie waren schon beinahe am anderen Ufer angekommen, als das Boot seitwärts abtrieb und auf etwas Hartes schrammte.
    »Ein Felsen!« Der Schiffer fluchte lautstark und versuchte, das Boot mit der Stakstange zu lösen. Doch es saß zu fest, die Stange zerbarst mit einem Krachen. Schon drang Wasser durch den Boden des Schiffes.
    Mit hochrotem Gesicht zerrte Jakob an einer der Planken der Reling. Clemens ließ den Zügel fallen und sprang hinzu. Unerwartet, als spürte es die Gefahr der Bewegung, hielt das Pferd mit zitternden Flanken still.
    Mit vereinten Kräften rissen die Männer das Holz aus der Verankerung, es war nicht sehr lang, doch lang genug, um bis zu dem Hindernis in den Fluten zu gelangen, auf dem das Boot aufgelaufen war. Der Schiffer lehnte sich weit über Bord, presste die breite Planke gegen den Felsen und stemmte sich dagegen, bis das Boot sich löste und weitertrieb.
    Während Jakob die Kontrolle über das Boot zurückgewann und es mit der Planke gen Ufer lenkte, zog Clemens seinen Mantel aus und versuchte, mit dem Stoff das Wasser am weiteren Eindringen zu hindern.
    Endlich erreichten sie das Ufer. Der Nebel hatte sich gelichtet. Vor ihnen lag Rüdesheim und weiter hinten das Kloster Eibingen.
    Clemens von Hagen stieß ein Stoßgebet zum Himmel, als im selben Augenblick in der Ferne eine Glocke ertönte, die aus Richtung des Klosters kam. War es bereits die Zeit der Prim? Doch etwas war anders an diesem Klang, er erschall nicht methodisch und geordnet, wie eine Glöcknerin ihn zu entlocken pflegte.
    Der Schall trägt das Wort in die Weite, wie der Wind den Adler trägt, damit er fliegen kann. Dieser Klang aber zeugte nicht von der Verkündung der Wahrheit, vom Beginn der Prim, sondern von unermesslicher Furcht.
    »Rasch, leg an, etwas Furchtbares ist geschehen«, schrie Clemens. Er dachte an Elysa und betete, dass ihr nichts zugestoßenwar. Schon sah er den Rauch, der oberhalb der Klosterkirche aufstieg.
    Noch ehe das Fährboot am schlammigen Ufer zum Halten kam, sah er einen kleinen, sich bewegenden Punkt, der sich aus dem Schatten der Klostermauern löste. Blinzelnd kniff er die Augen zusammen und erstarrte. Es war ein Reiter, der mit wehender cappa den Weg entlangritt, um ihn auf Höhe des bewaldeten Hügels zu verlassen, mitten ins Dickicht, das ihn innerhalb eines Atemzuges verschluckte. Ohne das Antlitz erkannt zu haben, wusste er, wer dieser Reiter gewesen war: Radulf von Braunshorn.

9
    N achdem Agnes und Humbert von Ulmen den Kapitelsaal verlassen hatten, war eine lautstarke Debatte unter den Schwestern entbrannt.
    Die einen vertraten die Ansicht, dass die Oblatin Anna den Teufel mit dem gebrochenen Gelübde der Keuschheit herausgefordert und durch Radulfs Tat eine freilich furchtbare Strafe erhalten hatte, als er sich an ihr verging. Denn war es nicht Annas zuchtloses Verhalten, das den Hirten ansteckte?
    Wogegen die anderen einwandten, dass der Exorzist Gehilfe jener Schlange war, als er dem Drängen seiner Lenden nachgab und sich auf die Oblatin warf. Denn Radulf, Diener der Kirche, hätte dieser Befleckung entfliehen müssen. Er aber hatte es vorgezogen, sich mit der Fratze des Teufels auf die Wehrlose zu stürzen. Was anders war ihr geblieben, als sich angesichts der furchtbaren Scham vom Turm fallen zu lassen, der gerechten Hölle entgegen, bereit, ihre Schuld im ewigen Feuer zu sühnen?
    Die Debatte drohte zu einer hitzigen Auseinandersetzung zu werden, als Sibille sich zornig auf Irmentraut stürzen wollte, nachdem diese erneut von der Schuld der verderbten Sünderin gesprochen hatte.
    In jenem Augenblick aber, als die Glocke der Klosterkirche erbarmungslos zu läuten begann, verstummte der Disput. Vollerdüsterer Ahnung strömten die Schwestern hinaus in die feuchtkalte Morgendämmerung, hinüber zur Kirche.
    Was sie dort sahen, löste allgemeines

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