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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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erblickte, mit einem Bart aus Feuer, königlichen Geblüts, versehen mit den Insignien der Macht. Der dritte aber, Schwestern, war Radulf von Braunshorn, Gehilfe des Teufels, am Rumpf jener Schlange, die zu beseitigen er vorgibt. Denn Radulf von Braunshorn ist Nacht, die Finsternis aushaucht, und er ist gekommen, um Mutter Kirche der Verderbnis anheimfallen zu lassen.«
    Sogleich erhob sich Geschrei. Einige der Schwestern bekreuzigten sich und sahen angestrengt zum Eingang. Andere schüttelten in stummer Demut den Kopf.
    »Schweig still!«, rief die Priorin kreischend und schlug die kleine Glocke, bis Ruhe eintrat. »Schweig, denn es ist böse Verleumdung, die du im Mantel einer Vision ausspuckst. Du loderst im Feuer der Rache, die dich zu dieser Aussage treibt.« Ihre Stimme sollte feste Überzeugung bekunden, doch ihr Gesichtverriet eine tiefe Verunsicherung. »Radulf von Braunshorn ist ein großer Kirchenfürst, berufen, der Christenheit zu dienen. Die himmlische Vorsehung hat ihn gesandt, damit er unserem Kloster beisteht. Längst wäre er in Rom, um dort im Patriarchum das Fest der Weihnacht zu verbringen, doch er zog es vor, zu unserer Rettung nach Eibingen zu kommen.«
    Abrupt stand nun Gudrun auf und ergriff zum ersten Mal in dieser Versammlung das Wort. »Er verschob eine Reise nach Rom, zum nach Christus benannten Hirten, aufgrund der Rufe armseliger Gebilde, die aus Liebe zur Keuschheit den Spuren Christi folgen? Gehörte er nicht zu jenen Prälaten, die über das Kloster der seligen Hildegard dereinst das Interdikt verhängten?«
    Schweigen stellte sich ein. Bis sich der Seelsorger erhob, der bis dahin in demütiger Versenkung verharrt hatte. »Lasset uns nicht innehalten im Ritus der geheiligten Versammlung«, bat er zaghaft. »Ehrwürdige Agnes, warum fahrt Ihr nicht fort mit der Frage, ob wir eine Verfehlung begangen oder Augenzeuge einer solchen geworden sind? Denn es drängt mich danach, etwas anzuzeigen.«

7
    A ls Elysa die Gestalt auf den Stufen der Wendeltreppe zum Glockenturm im flackernden Licht der Fackel entdeckte, wich sie voller Entsetzen zurück.
    Es war Radulf von Braunshorn, der sich anschickte, einen Stapel Reisig über dem Reliquienschrein der Meisterin auf dem Boden des Turms aufzuschichten.
    Statt des blutbefleckten Gewandes trug er eine weite saphirblaue cappa mit sternförmigen, goldbestickten Ornamenten.
    Bebend vor Wut richtete er sich auf, und Elysa begriff, dass sich neues Unheil zusammenbraute. Sofort verbreitete sich jene Aura der Macht, die ihm anfangs Bewunderung und Ehrerbietung eingebracht hatte.
    »Was hast du hier zu suchen, Weib?«, donnerte er.
    Elysa bemühte sich nach Kräften, den hohen Reisighaufen zu übersehen, und blickte Radulf direkt ins Gesicht. »Ich fand Gefallen an der ungewöhnlichen Form des Turmes, der jenen Türmen gleicht, die alleine stehen. Der hier hingegen scheint das Dach des Gotteshauses zu durchstoßen.« Sie atmete tief ein. Glaubte sie wirklich, ihn mit gelehrt klingenden Gedanken von dem Faktum ablenken zu können, dass sie ihn soeben bei der Vorbereitung eines Höllenfeuers ertappt hatte?
    »Und weiter?« Seine Augen durchbohrten ihr Innerstes.
    »Ich …« Sie verstummte.
    »Ich sehe, du willst nicht reden. So werde ich dich zum Sprechen bringen.«
    »So, wie Ihr den Mönch zum Sprechen gebracht habt?«
    Es war eine unbedachte Äußerung. Im selben Augenblick, als sich die Augen des Exorzisten finster zusammenkniffen, erkannte Elysa, dass sie lieber hätte schweigen sollen.
    »Was sagst du da?« Radulf packte Elysa hart am Arm und zerrte sie zur Turmtür auf die Empore hinaus. Dabei starrte er sie unverwandt an, als könne er mit den Klauen seines Blickes ihre Seele zerreißen. Unvermittelt strichen seine Finger über ihr Antlitz und über das Haar, das sich aus seiner Verflechtung gelöst hatte. Ein eigentümlicher Ausdruck trat in seine Augen, der Elysa das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Radulf schob sie an die gemauerte Brüstung, drehte dann mit einer ruckartigen Bewegung ihren Körper zur Öffnung zwischen den Arkaden. Unter Elysa lag der Kirchensaal mit steinernem Boden. Ein Stoß, und sie würde zerschmettert.
    »Du glaubst wohl, in deiner Bildung und Erhabenheit klug zu handeln, doch es ist offenbar, dass die geistige Unterweisung den Frauen nicht zur Ehre gereicht.« Sein schwerer Körper presste sich hart an ihren Rücken. Die schnarrende Stimme wurde leise, während er mit der freien Hand wieder über ihr Haar strich.

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