Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Glockenturms und konnte die beiden nicht mehr sehen. Umso aufmerksamer hörte sie zu.
Jetzt sprach wieder die Priorin. »O ja, ich war verblendet im Ansinnen, meinen Aufstieg zu fördern. Doch Ihr erwiest Euch als schlechter Hirte, trotz der Treue, die ich Euch erwies. Es war ein Fehler, dem Erzbischof Glauben zu schenken, als er in diesen armseligen Gemäuern zu Gast war und mir nur Gutes von Euch erzählte. Radulf von Braunshorn, heilige Gestalt. Er vergaß zu erzählen, dass Ihr Teil der Ränke seid, die der Kaiser schmiedet.«
»Ihr hättet dem Werben des Erzbischofs widerstehen können, der Euer Wissen nur erahnte. Doch Ihr wolltet auf den Äbtissinnenstuhl und saht Euch als neue Rupertsberger Vorsteherin. Mit Kontakten zu allen kirchlichen und weltlichen Fürsten, ja, selbst zum Papst. Hochgeachtet und verehrt gleich der seligen Hildegard von Bingen.« Ein furchtbares Lachen erklang und hallte durch die Gemäuer der Kirche. »Es wird Euch nie gelingen. Nie werdet ihr zu der Größe dieser Heiligen aufsteigen, die selbst die größten Kirchenfürsten hatte erzittern lassen. Eure Zeit ist abgelaufen.«
»Und Eure zugleich. Soeben habe ich vor dem Priester eine Beichte abgelegt. Doch was ist mit Euch? Ich werde mich der Verkündung der Wahrheit nicht länger versperren. Ich habe erkannt und gesühnt. Mein Amt als Priorin werde ich niederlegen und mich den erbärmlichsten Arbeiten beugen, wie ich es verdiene. Doch ich habe den Teufel erkannt, der mich mit glänzenden Versprechungen blendete, und werde ihn ins Verderben stürzen.«
Radulf brüllte auf. »Dazu wird es nicht kommen!«
»Ihr könnt mir nicht drohen. Ich bin im Besitz jenes Stückes,das Ihr so schmerzhaft ersehnt habt: das verschwundene Fragment, das mir der Mönch in seinen letzten Atemzügen entriss. Es liegt gut verborgen, also zügelt Eure Wut und lasst von Eurem Plan ab.«
Ein furchtbares Lachen erklang. »Ihr glaubt, das Fragment könne Euch schützen? Was ist schon ein wertloses Stück Pergament! Ich weiß ohnehin um die Zeichen. Als ich sah, wie die Nonne, die das Fragment vordem in den Händen hielt, im Innenraum dieser Kirche nach Spuren suchte und letztlich im Glockenturm nachsah, da begriff ich, dass es eben dieser Teil der Kirche ist, der zuerst brennen muss.«
»Das werde ich zu verhindern wissen.«
Elysas Herz klopfte bis zum Hals. Eng an die Turmmauer gepresst, verfolgte sie den nun folgenden Tumult und wagte es nicht, zur Empore hinauszuspähen.
»Ihr habt mir in die Hände gespielt mit Eurer Ränke, Agnes. Welch nützlicher Einfall, das Fragment gut zu verbergen. Wer soll es dann noch finden, wenn Ihr nicht mehr seid? So wird nun niemand mehr hinter das Geheimnis des Pergaments kommen.«
Ein Poltern erklang, ein Keuchen, dann ein langgezogener Schrei. Unmittelbar darauf erklang ein Krachen. Dann war es wieder still. Bis auf ein heftiges Atmen.
Elysa verharrte in Angst.
Plötzlich ein keuchendes Flüstern, das langsam näher kam: »Wahrhaftig, Agnes, Ihr seid die größte Schlange. Unnütz und schwach. Wäre es Euch damals gelungen, die Kirche vollends zu verbrennen – ich wäre bereits auf dem Wege nach Rom.«
Rasch hastete Elysa die Stufen des Glockenturmes hinauf, während Radulfs Worte sie verfolgten.
»Nun werde ich das Werk vollenden und das Geheimnis zerstören, das sich gewiss im Bauch dieses Turmes verbirgt.«
Entsetzt eilte Elysa weiter, als Radulf mit der Fackel imEingang erschien, um mit einem hämischen Lachen den Reisighaufen zu entzünden, der den Reliquienschrein aus Tannenholz umgab. Es dauerte eine Weile, bis das trockene Holz zu knistern begann. Dann aber züngelten die Flammen steil hinauf, leckten am morschen Holz der Treppe. Elysa ergriff das Seil und läutete die Glocken, ignorierte das Blut, das an ihren Händen hinablief, als das Seil ihr scharf entglitt. Immer wieder hob sie die Hände und zog am Strang, während der Rauch begann, emporzusteigen und ihr den Atem zu nehmen.
8
D ie Stromschnellen waren heimtückisch. Immer wieder schlingerte das Boot und drohte zu kippen.
Clemens von Hagen wünschte, er hätte das Pferd am Ufer gelassen. Er hätte es gewiss nach der Überquerung auch alleine bis nach Eibingen geschafft, gleichwohl das Blut in seinem frisch verbundenen Bein noch immer heiß pochte. Aber er hatte das Pferd nicht der Ungewissheit überlassen wollen, zumal es im Besitz des Rupertsberger Klosters war und er versprochen hatte, es wohlbehalten zurückzubringen.
Nun aber bäumte das
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