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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Kapitelsaals gerichtet denn auf die Frauen vor ihr.
    Margarete befand, dass sie Agnes noch nie so aufgewühlt gesehen hatte.
    Unvermittelt stand Ida auf und sprach in die nun folgende Stille: »Ich habe etwas vorzubringen, ehrenwerte Mutter, und wenn Ihr erlaubt, so möchte ich das Wort an den Konvent richten.«
    Agnes nickte abwesend, und als sie die blinde Nonne noch immer wartend sah, fügte sie ein hastiges »So sprich« hinzu.
    »Vor zwei Tagen wurde eine außerordentliche Versammlung einberufen, um zu beurteilen, ob das Feuer mit Gottes Hilfe erlosch oder durch die Beschwörung des Teufels. Am gestrigen Tag aber, als das Gottesurteil vor aller Augen bewies, dass ich nicht gelogen habe, wurde mir eine neue Prüfung auferlegt: Die mit Wachs verbundenen Hände sollten nach drei Tagen zeigen, ob sie mit Gottes Hilfe heilen oder in Teufels Namen faulen.« Ida machte eine bedeutungsvolle Pause. »Am selben Tag aber habe ich erfahren, was es heißt, ins hellstrahlende Licht zu schauen, und auch, was es bedeutet, Freud und Leid so nah beieinander zu spüren. Ich habe eine Mitteilung zu machen, doch damit man mir Glauben schenkt, dass sie von göttlicher Kraft beseelt ist, bitte ich Euch, ehrenwerte Agnes, mir den Verband zu lösen, um schon heute zu beurteilen, ob Gottes Kraft in mir wirkte oder nicht.«
    Ein lautes Gemurmel erhob sich. Margarete erschrak. Von was für einer Mitteilung sprach Ida? Margarete sah den Glanz auf Idas Antlitz und die Furcht auf dem der Priorin, die immer wieder zum Eingang des Kapitelsaals blickte.
    »Wir sollten auf Radulf von Braunshorn warten«, entschiedAgnes nach langem Zögern. »Ohne ihn können wir es nicht beschließen.«
    »Aber warum nicht?«, fragte nun Jutta fest, sichtlich erbost über Agnes’ zögerliche Haltung. »Ihr seid die Oberin. Über die Belange des Klosters habt Ihr zu entscheiden, nicht der Exorzist.« Sie erntete große Zustimmung.
    »Ihr Ahnungslosen«, fauchte Agnes aufgebracht. »Glaubt ihr wahrhaftig, wir könnten uns seinem Urteil widersetzen? Er wurde von der erzbischöflichen Kanzlei geschickt und deren Anweisungen haben wir uns unterzuordnen.«
    »Dann lasst Ida sprechen, und wir entscheiden in zwei Tagen, ob ihre Rede göttlichen oder teuflischen Ursprungs ist«, erwiderte die junge Novizin Sibille beherzt.
    Der Vorschlag wurde unter großem Getuschel besprochen, bis die Priorin nach der kleinen Glocke griff und zur Ruhe mahnte.
    »Schluss jetzt! Wir gehen nach den Regeln der Versammlung vor und werden uns nicht anmaßen, den Anordnungen eines Gesandten des Erzbischofs zu widersprechen, der allerorts verehrt wird und dessen Verbindungen zu den Höchsten des Reiches euer Vorstellungsvermögen bei weitem übertreffen!«
    »Wir widersprechen ihm nicht, wenn ich rede und Ihr erst in zwei Tagen über den Ursprung meiner Worte entscheidet, es ist gemäß den Anweisungen«, sagte Ida ruhig. »Wovor habt Ihr Angst, ehrwürdige Agnes?«
    Die Priorin antwortete nicht, sondern bedachte Ida lediglich mit einem bitterbösen Blick. Die anderen Nonnen jedoch brachten der ehedem so verhassten Hüterin eine Woge der Zustimmung entgegen. Auch Margarete fühlte sich gedrängt, Ida zur Seite zu springen, und erhob sich. »Lasst sie sprechen, ehrwürdige Mutter. Sie ist doch Eure getreueste Dienerin. Nie hat sie Euch enttäuscht. Gott hat sein Licht auf sie geworfen, so lasst uns hören, was sie zu sagen hat.«
    Ihre Wangen glühten, das Blut im Kopf rauschte ob des ungewohnten Mutes. Sie vernahm kaum noch die zustimmenden Worte von Ermelindis, Sibille und Jutta.
    Schließlich nickte Agnes, erst zaghaft, dann mit einem tiefen Seufzen. »Gut, so sei es«, sagte die Priorin und sank in den kunstvoll verzierten Vorsteherinnenstuhl. »Wir hören, was Ida zu verkünden hat, und entscheiden in zwei Tagen, ob die geschändeten Hände ihrer Verkündung widersprechen.«
    Ida lächelte – nicht aus Hochmut, sondern aus Verbundenheit. Sie atmete tief ein und begann mit fester, wohlklingender Stimme.
    »Ehrwürdige Agnes, liebe Schwestern. Gestern in der Kirche überkam mich das Licht in einer wahren Schau. Ich sah einen Berg und auf einem hohen Thron den Allmächtigen, umstrahlt von Licht. Doch dann zeigte er auf eine Schlange zu seinen Füßen, die sich furchtbar wand. Sie hatte drei Köpfe, von denen der erste der Fratze des Teufels glich, einem gefallenen Engel, der sich anmaßte, höher zu stehen als Gott. Der zweite besaß das Antlitz eines Mannes, den ich noch nie zuvor

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