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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Treppe zur Zelle hinaufstiegen, versuchte Clemens flüsternd, Elysa über die dunkle Seite der Priorin aufzuklären, woraufhin sie ein barsches »Ihr erzählt mir nichts Neues« entgegnete.
    Agnes lag mit grauem Gesicht in der Schlafnische. Neben ihr stimmte Humbert von Ulmen mit gesenktem Kopf ein Gebet an. Auch Jutta, Ida und Margarete waren zugegen, die Hände zum Gebet gefaltet.
    Die Tücher um Brust und Kopf der Priorin waren von Blut durchdrungen, das Antlitz war fahl und eingesunken. In den gefalteten Händen lag ein Kreuz.
    »Gepriesen sei Gott, der mich am Leben erhielt, bis ich euch alle um mich versammelt weiß«, sagte Agnes schwer atmend. »Ich habe gebeichtet und die Absolution erhalten, doch ich möchte diesen vom Teufel entweihten Ort nicht verlassen, ohne mein Wissen weiterzugeben. Um Radulf von Braunshorn aufzuhalten, der sich anschickt, die Christenheit zu verderben. Daher will icherzählen, was sich zugetragen hat.« Es war ein langer Satz, der sie sichtlich schwächte, doch sie fuhr fort. »Einst sah ich mich als ehrenvolle Braut Christi. Begabt und tüchtig, der Äbtissinnenwürde würdig, doch ich wurde in das armseligere der beiden Klöster abgestellt, als Priorin einer zuchtlosen Horde. Doch dank Gott war auch Ida zugegen und wies die Nonnen unter Strafe an, den Regeln zu folgen. Ich hingegen hatte in meiner Eitelkeit nur den einen Gedanken: dieses Kloster einer Äbtissin gleich zu regieren und zu neuem Glanz zu verhelfen, und so begann ich, die edelsten Kirchenfürsten anzuschreiben und als Gäste zu empfangen. Unter ihnen war auch Erzbischof Konrad, der im Jahr zuvor das Rupertsberger Kloster dem Schutz der Mainzer Bischofsbehörde unterstellt hatte und mir nun von großen Plänen der Stadt Mainz erzählte, die, einem zweiten Rom gleich, zum Mittelpunkt der Christenheit aufzusteigen gedachte. Ich gebe zu, dass es mir schmeichelte, als er mir bedeutete, dass er mich in jener neuen Zeit als würdige Nachfolgerin der alten Äbtissin vom Rupertsberg sah.«
    Agnes schloss die Augen. Ein sanfter Wind wehte durch die Ritzen der Fensteröffnungen, und Elysa glaubte schon, er käme, ihre Seele mitzunehmen, als die Priorin die Augen erneut aufschlug.
    »Die alte Schlange ist voller Schlauheit und betrügerischer List, voll vom tödlichen Gift der Bosheit. Denn in ihrer Klugheit flößte sie mir die trotzige Verwegenheit ein zu sündigen. Tag und Nacht gedachte ich der Worte des Erzbischofs, und als das Mutterkloster mich maßregelte, da ich die mir zugedachten Aufgaben von Stolz erfüllt überschritt, setzte ich meine zornigen Gedanken in Taten um. Vordem Bibliothekarin im Kloster Rupertsberg, wusste ich, dass Hildegard von Bingen noch eine letzte Mahnung an die Menschheit zu verkünden hatte, und da die Pläne des Erzbischofs der Einheit des Christenreichs widersprachen, war gewiss,jene Mahnung sollte eben dieses Vorhaben vereiteln. Erneut ließ ich nach dem Erzbischof rufen, und als er mir von einem Mann erzählte, der einem Heiligen gleich zum Oberhaupt des neuen Roms berufen sei und alle entlohnen werde, die ihm zur Hilfe kommen, enthüllte ich mein Wissen von dem Pergament und den Zeichen der Verkündung, von Adalbert von Zwiefalten und dem alljährlichen Hildegardisfest.« Agnes atmete tief ein und schwieg.
    »Als der Papst zum Zug ins Heilige Land aufrief, wusstet Ihr, dass der Zeitpunkt der Verkündung gekommen war«, ermunterte Clemens die Priorin fortzufahren. »Der Erzbischof befand sich zu dieser Zeit in Ungarn, also verschwor sich das Mainzer Domkapitel. Deren Schergen lauerten Adalbert auf, der zum alljährlichen Hildegardisfest reiste.«
    »Wer immer Adalbert auflauerte, entzieht sich meinem Wissen«, antwortete die Priorin angestrengt. »Als Adalbert von Qualen gezeichnet in unserem Kloster auftauchte, war ich bestürzt. Ich hatte gedacht, meine Aufgabe sei mit der Offenbarung des Geheimnisses erfüllt. Doch Adalbert zeigte sich ungebrochen, und er offenbarte ganz deutlich, dass er die Vision in meinem Kloster zu finden gedachte. Ich glaubte, er wäre seinen Häschern entkommen, und es sei nun an mir, ihn an der Ausführung seiner Mission zu hindern. Also schlich ich in die Küche und vergiftete das Fleisch, das ihm zugedacht war. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Elisabeth …«
    Margarete rang nach Luft und bekreuzigte sich hastig.
    Unbeirrt fuhr die Priorin fort. »Als ich mich zur Nachtzeit seines Zustandes versichern wollte, sah ich ihn zum Skriptorium schleichen und folgte ihm.

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